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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0051

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Erstes Kapitel. Aegyptische Baukunst.

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anmuthige Form eines glockenartigen Pokals oder eines voll anfgeblühten
Blumenkelches bietend. Diese Grundform benutzte der reichere Styl der ägyp-
tischen Kunst, um sie mit zierlichem Blattschmucke, manchmal nach Art einer
Palme, zu umkleiden. Zugleich öffnet sich dann auch der Kelch als mehr-
blättrige Blume, deren Decoration, an den verschiedenen Säulen wechselnd,
ebenfalls dem Pflanzenreiche entlehnt ist. Ebenfalls dem vegetativen Gebiete
entlehnt zeigt sich die Palmensäule, wie sie in naiver Nachbildung eines
Palmenschaftes schon im Tempel zu Soleb zur Zeit Amenhotep’s III auftrat.
Alle diese auf Naturformen beruhenden Gestaltungen werden dann in den
späteren Epochen aufs mannichfachste dekorativ umkleidet, so dass sogar in
denselben Säulenreihen der grösste Reichthum von Variationen stattfindet.
So in Edfu und den Tempeln zu Philae. — Spielender erscheinen endlich jene
aus vier Hathorköpfen zusammengesetzten Kapitale, auf welchen der das

Fig. 19.

Säule von Medinet-Habu.

Fig. 20.

Säule von Kum-Omlni.

Gebälk aufnehmende Deckstein in Gestalt eines kleinen Tempelchens ruht
(Fig. 22). Sie gehören der späteren Epoche ägyptischer Kunst an, haben
aber ebenfalls in früheren Epochen ihre Vorbilder an jenen Kapitalen zu
Sedeinga und Eileithyia (El Kab). — Gewöhnlich sind die Säulen in ihrer
ganzen Ausdehnung mit bunten Figuren und Hieroglyphen bedeckt, die in
lebendiger Harmonie zu dein glänzenden Farbenschmucke der übrigen Bau-
tlieile stehen, aber gleich jenen, ja noch mehr als sie, den schwachen Punkt
der ägyptischen Architektur verrathen. Denn die Säule btisst durch dies
blosse Ueberziehen mit bildlichem Schmucke einen grossen Theil ihrer Würde
und Kraft ein, da die bunte Umhüllung nur die Eingebungen der Willkür,
nicht den nothwendig gebotenen Ausdruck entschiedenen Sttitzens zur Er-
scheinungbringt.— Strenger dagegen sind die Pfeiler und Pilaster gebildet,
deren sich der ägyptische Styl ebenfalls häufig bedient. Ihre mit Bildwerken
geschmückten Flächen stützen ohne Vermittlung eines besonderen Gliedes die
 
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