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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0274

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252

D rittes Buch.

Künstleri-
scher Cha-
rakter.

Vorhalle zu
Lorsch.

grenzten Mittelbau von 48 Fuss Durchmesser ziehen sich in zwei Stock-
werken, wie in S. Vitale, niedrige Umgänge. Diese sind hier sechzehnseitig
und haben demnach in ihrem unteren Geschosse eine Decke von Kreuz-
gewölben und dreieckigen Wölbungen, deren Gurtbögen auf kräftige Wand-
pfeiler in der Umfassungsmauer sich stützen. Das obere Geschoss ist da-
gegen in sinnreicher Weise durch eine Art von halbirtem Tonnengewölbe
geschlossen, welches einen wirksamen Gegendruck gegen die hohe Kuppel
ausiibt. Nach dem Mittelraume öffnet sich der obere Umgang durch hohe,
von den Pfeilern emporsteigende Rundbögen. In jeden derselben stellte man
zwei Säulen, die unter einander und mit den Pfeilern durch kleinere Kreis-
bögen verbunden wurden. Da aber bei den einmal Vorgefundenen Verhält-
nissen dieser Stützen dadurch die ganze Höhe der Oeffnung nicht ausgefüllt
wurde, so half man sich, so gut es bei der beschränkten architektonischen
Intelligenz gehen wollte. Man stellte nämlich auf das von den unteren Säulen
getragene Mauerstück noch zwei obere Säulen, die nun freilich in sehr un-
schöner Weise mit ihrem Kapitälaufsatz unmittelbar unter die grosse Bogen-
öffnung stiessen. Diese Anordnung, die offenbar nur ein Nothbehelf war,
zeugt am besten von der Rohheit des architektonischen Gefühls und dem
Mangel an Erfindungsgabe. Man war noch sosehr an das vorhandene Material
gefesselt, dass man sich noch nicht zu eigenen, neuen Combinationen befreien
konnte. Um so anerkennenswerther ist das constructive Geschick, welches
sich in der Ueberwölbung der Seitenräume kund gibt, obwohl die eigentliche
Technik der Ausführung ungenau und nachlässig ist. Ueber den oberen Ar-
kaden steigt ein Mauercylinder mit acht rundbogigen Fenstern auf, und dar-
über wölbt sich, ohne trennendes Gesims, die Kuppel. Im Aeukseren ist der
Bau an den Ecken durch doppelte, weit vortretende Pilaster mit römischen
Kapitalen gegliedert, die in kräftiger Weise das Widerlager verstärken. Die
Kuppel hat in neuerer Zeit eine Erhöhung und ein hoch ansteigendes
Schutzdach erhalten. Gegen Osten schloss sich eine ebenfalls zweistöckige
Altarnische an (auf unserer Abbildung durch hellere Schraffirung bemerk-
bar), die später durch einen hohen gothischen Chor verdrängt wurde. Gegen-
über lag dagegen eine Vorhalle, die mit dem kaiserlichen Palast in Verbin-
dung stand.

Von einer freien, selbstthätigen künstlerischen Durchbildung sind hier
noch keine Spuren. Die Säulen waren sammt den Kapitalen grösstentheils
antiken Gebäuden entlehnt, oder ohne feineres Verständniss denselben nacli-
geahmt, Die Schäfte waren, wie in den alten Basiliken Roms, von verschie-
dener Länge, welche man nach Möglichkeit durch höhere oder niedrigere Basen
auszugleichen bemüht war. Ihre Pracht beruhte daher nur auf ihrem kost-
barem Material, und man sieht darin eben deutlich, dass bei dem Glanze,
welcher hier angestrebt wurde, ein feineres ästhetisches Gefühl noch keines-
wegs leitend war. Das Innere war mit Mosaiken ausgeschmückt, und von der
hohen Kuppelwölbung leuchteten auf Goldgrund die Gestalten Christi und der
24 Aeltesten der Apokalypse. Die Oeffnung der oberen Galerie hatte bronzene
Balustraden von zierlich durchbrochener Arbeit. Diese, sowie die drei bron-
zenen Flügelthtiren des Hauptportales und der beiden Seiteneingänge, sind
noch erhalten. In der Mitte des Achtecks lag eine unterirdische Gruft, in
welcher auf weissem Marmorsessel, Scepter und Reichsapfel in den Händen,
der grosse Kaiser sass.

Aus derselben Zeit stammt ohne Zweifel auch die originelle Vorhalle
 
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