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Viertes Buch.
Moscheen
in Constan-
tinopel.
Öchlussbe-
traebtung.
Unter den Moscheen zu Constantinopel*) macht sich die des Sultans
Bajazet vom Ende des 15. Jahrh. durch den Glanz ihrer antiken Marmor-
fragmente bemerkbar. In ähnlicher Weise ist auch die Ausstattung der aus
dem folgenden Jahrhundert stammenden Moschee Soliman des Zweiten be-
schafft worden. Bewundert wegen der Ausschmückung sämmtlicher inneren
Räume mit persischem Porzellan ist die Moschee der Sultanin Valide aus dem
17. Jahrh. Alle anderen überbietet jedoch an verschwenderischem Glanz die
Moschee Sultan A chm et’ s, deren Kuppel auf vier riesigen Säulen ruht, und
deren Aeusseres durch sechs Minarets ausgezeichnet ist. Auch an ihr tritt
eine byzantinisirende Anlage hervor. In den Palästen und den übrigen Profan-
bauten hat seit den letzten Jahrhunderten der abendländische Styl sich immer
mehr Eingang verschafft, so dass auch hier von einer selbständig-türkischen
Architektur kaum noch die Rede sein kann.
Wir sahen die mohamedanisclie Architektur von byzantinischen Einwir-
kungen ausgehen und in ihren letzten Werken wieder dahin zurückkehren.
Bot sie uns auch manche eben so glänzende, als originelle Schöpfungen dar,
so liegt doch in jenem Umstande schon eine Kritik ihres Wesens. In derThat
vermochte sie sich, selbst da, wo sie in grossartig mötfumentaler Weise auftrat
und uns durch klare Anordnung und opulente Ausstattung eine gewisse Be-
wunderung abnöthigte, wie vorzüglich in Indien, nicht zu einer consequenten
Entwicklung zu erheben, weil es ihr an dem unerlässlichen klar ausgeprägten
Grundgedanken mangelte. Desshalb schillert sie in den mannichfachsten
Formen, assimilirt sich die Elemente der verschiedensten Style, gibt sich den
Einwirkungen der einzelnen Länder und Bauweisen mit unglaublicher Elasti-
cität hin, ohne in ihrem schwankenden Gange zu einem festen Schritte auf ein
bestimmtes Ziel sich ermannen zu können. Ohne Zweifel wurde sie zu dieser
Eigenthümlichkeit durch die rastlose Thätigkeit der Phantasie, die nur in
Contrasten, nicht in organischer Durchführung eines Grundgedankens sich
gefiel, verurtheilt. Daher hat denn dieser Styl in constructiver Hinsicht
keine neue That vollbracht. Allerdings scheint er den Spitzbogen er-
funden zu haben; aber er hat ihn nur als ein Spielzeug miissiger Laune anzu-
wenden vermocht. Nur, aus dieser Sinnesrichtung erklärt es sich, dass der
ganze Scharfsinn der Araber, anstatt sich in der Erfindung einer neuen Con-
struction zu bewähren, in den phantastisch-brillanten Tändeleien der Stalak-
titengewölbe sich versplittert. Bei alle dem ist nicht zu leugnen, dass dieser
merkwürdige Styl das Wesen jenes Volks und seiner religiösen Anschauungen
in lebensvoller Weise ausspricht. Und wie die Religion des Islam sich den
Bedingungen so verschiedenartiger Zonen und Stämme glücklich anpasste, so
schmiegt sich auch der architektonishe Styl dem Bedürfniss und der Sinnes-
richtung der einzelnen Länder des Islam, unter Bewahrung einer bestimmten
Grundfärbung, auf geschickte Art an. Daher sehen wir hier zum erstenmal
einen Baustyl, der seine Herrschaft über die verschiedensten Nationen und
Gebiete erstreckte, ohne die Eigenthiimlichkeiten der besonderen Gruppen zu
vernichten.
*) J. v. Hammer, Constantinopolis und der Bosporos. —■ Travels of Ali Bey. II. Bd. Qrelot, Con-
stantinöple, u. A.
Viertes Buch.
Moscheen
in Constan-
tinopel.
Öchlussbe-
traebtung.
Unter den Moscheen zu Constantinopel*) macht sich die des Sultans
Bajazet vom Ende des 15. Jahrh. durch den Glanz ihrer antiken Marmor-
fragmente bemerkbar. In ähnlicher Weise ist auch die Ausstattung der aus
dem folgenden Jahrhundert stammenden Moschee Soliman des Zweiten be-
schafft worden. Bewundert wegen der Ausschmückung sämmtlicher inneren
Räume mit persischem Porzellan ist die Moschee der Sultanin Valide aus dem
17. Jahrh. Alle anderen überbietet jedoch an verschwenderischem Glanz die
Moschee Sultan A chm et’ s, deren Kuppel auf vier riesigen Säulen ruht, und
deren Aeusseres durch sechs Minarets ausgezeichnet ist. Auch an ihr tritt
eine byzantinisirende Anlage hervor. In den Palästen und den übrigen Profan-
bauten hat seit den letzten Jahrhunderten der abendländische Styl sich immer
mehr Eingang verschafft, so dass auch hier von einer selbständig-türkischen
Architektur kaum noch die Rede sein kann.
Wir sahen die mohamedanisclie Architektur von byzantinischen Einwir-
kungen ausgehen und in ihren letzten Werken wieder dahin zurückkehren.
Bot sie uns auch manche eben so glänzende, als originelle Schöpfungen dar,
so liegt doch in jenem Umstande schon eine Kritik ihres Wesens. In derThat
vermochte sie sich, selbst da, wo sie in grossartig mötfumentaler Weise auftrat
und uns durch klare Anordnung und opulente Ausstattung eine gewisse Be-
wunderung abnöthigte, wie vorzüglich in Indien, nicht zu einer consequenten
Entwicklung zu erheben, weil es ihr an dem unerlässlichen klar ausgeprägten
Grundgedanken mangelte. Desshalb schillert sie in den mannichfachsten
Formen, assimilirt sich die Elemente der verschiedensten Style, gibt sich den
Einwirkungen der einzelnen Länder und Bauweisen mit unglaublicher Elasti-
cität hin, ohne in ihrem schwankenden Gange zu einem festen Schritte auf ein
bestimmtes Ziel sich ermannen zu können. Ohne Zweifel wurde sie zu dieser
Eigenthümlichkeit durch die rastlose Thätigkeit der Phantasie, die nur in
Contrasten, nicht in organischer Durchführung eines Grundgedankens sich
gefiel, verurtheilt. Daher hat denn dieser Styl in constructiver Hinsicht
keine neue That vollbracht. Allerdings scheint er den Spitzbogen er-
funden zu haben; aber er hat ihn nur als ein Spielzeug miissiger Laune anzu-
wenden vermocht. Nur, aus dieser Sinnesrichtung erklärt es sich, dass der
ganze Scharfsinn der Araber, anstatt sich in der Erfindung einer neuen Con-
struction zu bewähren, in den phantastisch-brillanten Tändeleien der Stalak-
titengewölbe sich versplittert. Bei alle dem ist nicht zu leugnen, dass dieser
merkwürdige Styl das Wesen jenes Volks und seiner religiösen Anschauungen
in lebensvoller Weise ausspricht. Und wie die Religion des Islam sich den
Bedingungen so verschiedenartiger Zonen und Stämme glücklich anpasste, so
schmiegt sich auch der architektonishe Styl dem Bedürfniss und der Sinnes-
richtung der einzelnen Länder des Islam, unter Bewahrung einer bestimmten
Grundfärbung, auf geschickte Art an. Daher sehen wir hier zum erstenmal
einen Baustyl, der seine Herrschaft über die verschiedensten Nationen und
Gebiete erstreckte, ohne die Eigenthiimlichkeiten der besonderen Gruppen zu
vernichten.
*) J. v. Hammer, Constantinopolis und der Bosporos. —■ Travels of Ali Bey. II. Bd. Qrelot, Con-
stantinöple, u. A.