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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0634

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612 Fünftes Buch.

feilster, mit elegantem Maasswerk und in der Mitte mit einer Maasswerkgalerie,
geben diesen Theilen einen glänzenden Schmuck. Noch weiträumiger und statt-
licher ist die nach dem Muster dieses Baues und in Wetteifer mit demselben
errichtete Dominikanerkirche S. Giovanni e Paolo, im Wesentlichen ein
Werk der zweiten Hälfte des 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Die Anlage ist durchaus verwandt, nur die Zahl der Chorkapellen wurde auf
fünf ermässigt, und die polygonen Abschlüsse erhielten die regelrichtige un-
s. Anastasia gleiche Seitenzahl. Dasselbe System befolgt dann die Kirche S. Anastasia zu
zu Verona, y groiia, 1290 begonnen, aber erst spät vollendet, ein Bau von trefflichen
Verhältnissen, frei, leicht und weit, dabei am Aeusseren in Backstein zierlich
Dom zu und doch einfach durchgeführt.*) Auch der Dom zu Verona in seinem
Verona. weiten Schiffbau schliesst sich derselben Anlage an, nur dass statt der Säulen

schwerfällig gegliederte, stumpf
profilirte Pfeiler eintreten, wie
denn überhaupt die Behandlung
der Einzelformen Vieles zu wün-
schen lässt. — Eine abweichende
interessante Anordnung zeigt da-
gegen das Langhaus von S. F e r m o
daselbst, eine etwa 50 Fuss breite
einschiffige Anlage, mit einer treff-
lich stylisirten Holzdecke in Form
eines flach ansteigenden Gewöl-
bes **). Aehnliche Behandlung
zeigt das gewaltige Schiff der
Kirche der Eremitani zu Padua.

Gegen Ende des 14. Jahrh.
entstand, gegenüber jenen ein-
facheren Anlagen, eins jener mit
allen Mitteln der Kunst ausgestat-
teten Gebäude, in welchen sich
das künstlerische Schaffen einer
Zeit zu maassgebender Bedeutung
erhebt. Es ist die grossartige
Ordenskirche der Certosa bei
Pavia, 1396 durch den Gewalt-
herrscher von Mailand Gian Ga-
leazzo Visconti gegründet und im
Laufe des 15. Jahrh. vollendet. Das Innere ist einer der schönsten räum-
lichen Eindrücke, welche der Kirchenbau in Italien hervorgebracht hat. Das
Langhaus (Fig. 501) hat durchaus die Anordnung von S. Petronio zu Bologna:
quadratische Gewölbe auf reich gegliederten Pfeilern, begleitet von schmaleren
Seitenschiffen und Kapellenreihen. Diese Räume sind in der Höhe so gegen
einander abgestuft, dass dem Mittelschiff und den inneren Seitenschiffen kleine
Oberfenster bleiben. Die Arkaden kehren zum Rundbogen zurück, aber in den
Gewölben mischt sich diese Form mit dem Spitzbogen frei nach dem Beclürf-
niss. In völlig romanischer Anlage schliesst sich ein langes Querschiff mit
Apsiden dem Hauptbau an, und der ebenfalls lang vorgelegte und mit Apsiden

*) Vgl. die treffliche Aufnahme von Essenwein in den Mittli. d. Wiener Cen'tr. - Comm. 1860.
**) Eine farbige Darstellung in Semper’s Stil II. Taf. 22.
 
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