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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0729

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Zweites Kapitel. Renaissance in Italien.

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anlagen die Architektur ein Casino zum Mittelpunkt geben muss. Diese Villen-
gebäude gehen seit der Villa Farnesina und noch mehr seit den Villen Palladio’s
auf regelmässige palastartige Anordnung aus und sind von Anfang an weit
entfernt von einer freieren Gruppirung, wie die antiken Villen sie ohne Zweifel
gehabt haben. Dagegen wird durch Hinzufügung von Loggien, oft zwischen
thurmartig erhöhten Eckgebäuden, und durch reichen plastischen Schmuck
der Facaden, wozu die antiken Sarkophagreliefs und Aehnliches herhalten
mussten, diesen Gebäuden der Zauber malerischen Aufbaues und vornehmer
Zwanglosigkeit aufgeprägt, der im Verein mit den oft herrlichen Garten anlagen
den Eindruck eines hochpoetischen Daseins hervorbringt. Zu den grossartigsten
gehört Villa Aldobrandini bei Frascati, von Giacomo clella Porta. Eine
breite Rampe führt zu dem stattlichen Casino hinauf. Hinter diesem breitet
sich eine grosse Halle im Halbkreis mit zwei Flügeln aus, mit Nischen, Statuen
und Wasserwerken, darüber in der Mitte eine hohe Kaskade zwischen pracht-
vollen Eichenmassen. Diese Kaskade sieht man weither den Berg herabkommen,
in mehreren Absätzen von Wasserfällen unterbrochen. — Freie Bogenhallen
zwischen thurmartig erhöhten Eckbauten und reichen plastischen Schmuck
zeigt Villa Medici auf Monte Pincio zu Rom, jetzt der französichen Akademie
gehörig, von Annibale Lippi um 1580 errichtet. Damit sind die Grundzüge
der römischen Villen festgestellt, die dann mehrfach wiederkehren. Das Casino
der Villa Borghese, ein Werk des Niederländers Gio. Vansanzio, genannt
Fiammingo (t 1622) hat ähnliche Anlage und zeichnet sich durch die Pracht
und Kostbarkeit der Incrustation seiner Räume aus. Villa Pamfili, nach
1650 von Algardi errichtet, hat einen herrlichen Park mit unvergleichlicher
Lage und Aussicht und ein mit antiken Reliefs ganz bedecktes Casino von
schmaler, hoher Gesammtform. Villa Albani endlich, aus dem vorigen Jahr-
hundert, glänzt durch wohlberechnete Zusammenwirkung von Architektur, Land-
schaft und Plastik.

Einer der einflussreichsten Meister des 17. Jahrh. ist der auch als Bild-l. Bemini.
hauer berühmte Lorenzo Bemini (1589—1680). Von den Anlagen, die er der
Peterskirche hinzufügte, war schon die Rede. Sein beklagenswerthes Werk ist
auch das kolossale bronzene Altartabernakel in jener Kirche, beklagenswerth
nicht bloss wegen seiner ungeheuerlichen Missgestalt und des verderblichen
Einflusses, den dieselbe verbreitete, sondern auch wegen seines Materials, denn
seinetwegen wurde die kostbare antike Deckenverkleidung der Pantheons-
vorhalle zerstört. Hier wagen vielleicht zuerst die gewundenen Säulen, die
gebrochenen Giebel, die geschweiften Linien in rücksichtslosester Consequenz
sich zu zeigen. In anderen Werken Bernini’s bricht durch die Aeusserlichkeit
seiner Decorationsweise doch ein mächtiges Lebensgefühl, ein Sinn für be-
deutende Verhältnisse hervor.

Der Nebenbuhler Bernini’s, Francesco Borromini (1599—1667), brachte Francesco
die Entartung der Architektur aufs Aeusserste. Seine Fagaden wie seineBorromim-
Grundrisse vermeiden die geraden Linien nach Möglichkeit und bewegen sich
im wilden Durcheinander auswärts und einwärts geschwungener Curven, so
besonders an dem Thurm von S. Agnese zu Rom u. a. In ihm fand die Zeit
ihren prägnantesten Ausdruck, sein Beispiel wurde daher überall nachgeahmt,
und die Welt mit den widersinnigsten architektonischen Gebilden angefüllt.

Von den Architekten des 18. Jahrhunderts sind die bedeutendsten und
einflussreichsten: Filippo Juvara oder Tvara von Messina (1685—1735), von juvara.
welchem Paläste und Kirchen in Turin, namentlich aber die Superga Zeug-

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