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Sechstes Buch.
Alonsö de
Corvar-
riibias.
Von dem oben genannten Baumeister wurde sodann seit 1504 das Portal des
Findelhauses zu Toledo errichtet, das in der Composition noch viel Mittel-
alterliches hat, aber eine Fülle filigranartig feiner Ornamentik damit ver-
bindet. Das im Rundbogen geschlossene Portal hat einen mit Kandelabern
bekrönten, reich mit Sculpturen geschmückten mehrfach abgestuften Aufsatz,
neben welchem zwei ähnlich dekorirte und eingerahmte Fenster willkürlich
aber reich und graziös hinzugefügt sind. Ueberhaupt beginnt erst mit dem
16. Jahrhundert eine allgemeinere Anwendung des neuen Styles; in einzelnen
Fällen werden italienische Künstler in’s Land gezogen, aber in der Regel
werden dies Oberitaliener gewesen sein, deren Vorliebe für spielende Dekoration
hier an dem Sinn der spanischen Kunst ihre reiche Nahrung fand. Doch
müssen auch die einheimischen Künstler sich schnell in die neue Weise hinein-
gearbeitet haben, was um so leichter gehen mochte, als man von ihr kein
neues System, sondern nur höheren Glanz und reichere Pracht verlangte. Mit
der ihr eigenen schwungvollen Elastizität ging die spanische Nation auf den
modernen Styl ein und bildete ihn um.
Zu den tüchtigsten spanischen Architekten gehört Alonso de Covarrubias,
der 1531 eines der glänzendsten Werke dieser Zeit, die Kapelle der neuen
Könige in der Kathedrale von Toledo baute. Hier ist der glückliche Ver-
such gemacht, die überquellende Phantastik des Styles in die grossen antiken
Hauptformen wie in einen festen Rahmen zu spannen. Der 1534 von ihm
erbaute erzbischöfliche Palast zu Alcala de Henares zeigt in seinem
anmuthigen Säulenhof eine den florentinischen Höfen verwandte einfach edle
Behandlung: korinthisirende Säulen in beiden Geschossen, die unteren mit
Rundbögen in antiker Profilirung verbunden, die oberen mit Konsolen einen
Architrav stützend, auf welchem das Dach ruht. Was am Alcazar von Toledo,
dessen Fa§ade an die des Pal. Farnese in Rom erinnert, noch von seinem Bau
des J. 1537 übrig ist, muss dahingestellt bleiben; dagegen zeigt der prächtige
im J. 1546 entstandene Kreuzgang von S. Miguel de los Reyes zu Valencia
noch seinen eleganten Entwurf.
Vnilci.. Bei anderen Bauten geht die spanische Architektur darauf aus, die phanta-
Bauten und stischen Bogenformen ihren früheren Epoche mit den klassischen Hauptgliedern
Mclbtei in Verbindung zu setzen. So an dem Klosterhof zu Lupiana (Fig. 565), wo
in den vier Stockwerken durch reichen Wechsel der oberen Abschlüsse ein
überaus luftiger und zierlicher Eindruck hervorgebracht wird. Eine ganz herr-
liche Frührenaissance zeigt die Facade des S. Marcos-Klosters in Leon, die
von einem Meister Juan de Badajoz ausgeführt wurde. Von demselben stammt
der mit plastischem Schmuck reich ausgestattete Kreuzgang von S. Zoil zu
Carrion. Andere ausgezeichnete Werke dieses originellen und oft liebens-
würdigen Mischstyles findet man zu Salamanca; vor Allem das Collegio
mayor, das nach den Plänen Ibarra’s um 1521 begonnen wurde; ferner die
gleichzeitige Casa de las Muertes daselbst und der Palast der Marchesa de
las Naves. In Sevilla sind das Stadthaus und die Sakristei der Kathedrale
vom J. 1533, in Medina de Rioseco die berühmte Kapelle de los Beneventes,
in Baeza der stattliche Bau des Carcel del Corte, in Burgos das Collegium
von S. Nicolaus, das Kreuzschiff der Kathedrale und die Casa del cordon, in
Osuna die Stiftskirche mit ihrem prächtigen Portal vom J. 1534, in Bar-
celona das Stadthaus und die Casa de los grallas zu nennen.
Musischer Während also in Spanien manche Werke noch im gothisclien Styl ent-
v styl- standen, andere jene bunte platereske Weise an sichtragen, kommt zugleich
Sechstes Buch.
Alonsö de
Corvar-
riibias.
Von dem oben genannten Baumeister wurde sodann seit 1504 das Portal des
Findelhauses zu Toledo errichtet, das in der Composition noch viel Mittel-
alterliches hat, aber eine Fülle filigranartig feiner Ornamentik damit ver-
bindet. Das im Rundbogen geschlossene Portal hat einen mit Kandelabern
bekrönten, reich mit Sculpturen geschmückten mehrfach abgestuften Aufsatz,
neben welchem zwei ähnlich dekorirte und eingerahmte Fenster willkürlich
aber reich und graziös hinzugefügt sind. Ueberhaupt beginnt erst mit dem
16. Jahrhundert eine allgemeinere Anwendung des neuen Styles; in einzelnen
Fällen werden italienische Künstler in’s Land gezogen, aber in der Regel
werden dies Oberitaliener gewesen sein, deren Vorliebe für spielende Dekoration
hier an dem Sinn der spanischen Kunst ihre reiche Nahrung fand. Doch
müssen auch die einheimischen Künstler sich schnell in die neue Weise hinein-
gearbeitet haben, was um so leichter gehen mochte, als man von ihr kein
neues System, sondern nur höheren Glanz und reichere Pracht verlangte. Mit
der ihr eigenen schwungvollen Elastizität ging die spanische Nation auf den
modernen Styl ein und bildete ihn um.
Zu den tüchtigsten spanischen Architekten gehört Alonso de Covarrubias,
der 1531 eines der glänzendsten Werke dieser Zeit, die Kapelle der neuen
Könige in der Kathedrale von Toledo baute. Hier ist der glückliche Ver-
such gemacht, die überquellende Phantastik des Styles in die grossen antiken
Hauptformen wie in einen festen Rahmen zu spannen. Der 1534 von ihm
erbaute erzbischöfliche Palast zu Alcala de Henares zeigt in seinem
anmuthigen Säulenhof eine den florentinischen Höfen verwandte einfach edle
Behandlung: korinthisirende Säulen in beiden Geschossen, die unteren mit
Rundbögen in antiker Profilirung verbunden, die oberen mit Konsolen einen
Architrav stützend, auf welchem das Dach ruht. Was am Alcazar von Toledo,
dessen Fa§ade an die des Pal. Farnese in Rom erinnert, noch von seinem Bau
des J. 1537 übrig ist, muss dahingestellt bleiben; dagegen zeigt der prächtige
im J. 1546 entstandene Kreuzgang von S. Miguel de los Reyes zu Valencia
noch seinen eleganten Entwurf.
Vnilci.. Bei anderen Bauten geht die spanische Architektur darauf aus, die phanta-
Bauten und stischen Bogenformen ihren früheren Epoche mit den klassischen Hauptgliedern
Mclbtei in Verbindung zu setzen. So an dem Klosterhof zu Lupiana (Fig. 565), wo
in den vier Stockwerken durch reichen Wechsel der oberen Abschlüsse ein
überaus luftiger und zierlicher Eindruck hervorgebracht wird. Eine ganz herr-
liche Frührenaissance zeigt die Facade des S. Marcos-Klosters in Leon, die
von einem Meister Juan de Badajoz ausgeführt wurde. Von demselben stammt
der mit plastischem Schmuck reich ausgestattete Kreuzgang von S. Zoil zu
Carrion. Andere ausgezeichnete Werke dieses originellen und oft liebens-
würdigen Mischstyles findet man zu Salamanca; vor Allem das Collegio
mayor, das nach den Plänen Ibarra’s um 1521 begonnen wurde; ferner die
gleichzeitige Casa de las Muertes daselbst und der Palast der Marchesa de
las Naves. In Sevilla sind das Stadthaus und die Sakristei der Kathedrale
vom J. 1533, in Medina de Rioseco die berühmte Kapelle de los Beneventes,
in Baeza der stattliche Bau des Carcel del Corte, in Burgos das Collegium
von S. Nicolaus, das Kreuzschiff der Kathedrale und die Casa del cordon, in
Osuna die Stiftskirche mit ihrem prächtigen Portal vom J. 1534, in Bar-
celona das Stadthaus und die Casa de los grallas zu nennen.
Musischer Während also in Spanien manche Werke noch im gothisclien Styl ent-
v styl- standen, andere jene bunte platereske Weise an sichtragen, kommt zugleich