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Das jungbronzezeitliche Urnengräberfeld
5.3.1 Korrelationen zwischen Grab-
und Siedlungsfunden
Nachdem wir die Frage geklärt haben, welche Ge-
fäßtypen auf dem Gräberfeld und in der Siedlung
gleichermaßen vorkommen, wollen wir prüfen, aus
welchen Anlagen und Gebäudegrundrissen der Sied-
lung vergleichbare keramische Objekte stammen bzw.
in welchen Befunden Gefäßtypen des Gräberfeldes
ihre Entsprechungen in der Siedlung haben. Dazu
haben wir alle im Gräberfeld belegten Formen mit
ihrem Vorkommen innerhalb der Siedlung kartiert.
Hier ist vorab zu sagen, dass sich die Auswertung der
Funde und Befunde aus dem Bereich der Siedlung
noch im Ausbau befindet, so dass einige Fragen, wel-
che die Siedlungsbereiche betreffen, hier noch nicht
mit letzter Sicherheit beantwortet werden können 15.
Die Untersuchungen sind aber so weit fortgeschritten,
dass wichtige Fragen, die das Verhältnis zwischen dem
Gräberfeld und den zugehörigen bronzezeitlichen Sied-
lungsphasen betreffen, beantwortet werden können.
Im Rahmen der Auswertungen waren innerhalb
der Fundstelle 5 drei Bereiche mit bronzezeitlichen
Siedlungsbefunden ausgemacht worden. Diesem Ergeb-
nis folgend waren wir zunächst davon ausgegangen,
dass auch alle drei Siedlungen bzw. Siedlungsphasen
an der Belegung des Gräberfeldes beteiligt waren.
Dem widerspricht die Verbreitung der mit dem
Gräberfeld übereinstimmenden Gefäßtypen in der
Siedlung. Ganz offensichtlich ist nur eine Siedlungs-
phase (ein Doppelhaus mit Backhaus) an der Belegung
des Friedhofs beteiligt gewesen, denn die Funde grup-
pieren sich eindeutig in diesem Haus bzw. in seinem
Umfeld (Abb.22). Sie fanden sich in den zahlreichen
Vorratsgruben, die nach ihrem Verfall als Abfallgruben
genutzt wurden und die meisten Belege und Überein-
stimmungen mit der Grabkeramik aufweisen.
Dieses Ergebnis hat Folgen, die sich auf alle
Auswertungsbereiche und vor allem auf deren Deutung
auswirken. Falls nur ein Gebäude, demnach auch nur
ein der Dauer dieses Gebäudes entsprechender Zeit-
raum für die Belegung des Friedhofs angesetzt werden
kann, so ist der Zeitabschnitt innerhalb dessen das
Gräberfeld belegt wurde, relativ kurz gewesen. Wir
dürfen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausge-
hen, dass die im Gräberfeld Bestatteten sich aus den
Bewohnern eines einzigen Hofes zusammensetzen,
der für die Dauer von etwa drei bis maximal vier
Generationen bestanden haben dürfte.
Die übrigen Höfe dürften - weil ihre Keramik auf
dem Friedhof fehlt - demnach eigene Friedhöfe gehabt
haben. Wenn das zutrifft, dann ist für die Siedlung
zu erwarten, dass es auch keine unmittelbare Konti-
nuität in der bronzezeitlichen Besiedlung zwischen
dem auf Abbildung 22 dargestellten Hof mit den
anderen in seiner Umgebung freigelegten jungbronze-
zeitlichen Ansiedlungen gegeben hat. Ebenso dürften
keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen
den Bewohnern dieses Hofes mit denen der übrigen
Ansiedlungen bzw. der einzelnen bronzezeitlichen
Siedlungsperioden bestanden haben, denn sonst hätte
man mit der Fortsetzung der Belegung des Friedhofs
rechnen müssen.
Freilich sind das nicht die einzigen Gesichts-
punkte, die vom obigen Befund berührt werden. Die
Anzahl der Bestatteten von etwa 130 Personen kann
nun auf die Bewohner eines einzigen Hofes - und mit
gewissen Einschränkungen - auch auf einen genauer
einzugrenzenden Zeitraum bezogen werden. Zu den
Einschränkungen gehört, dass wir die absolute Zeit-
dauer des genannten Hauses nur grob schätzen können.
Auch im Gräberfeld kann die absolute Anzahl der
Bestatteten wegen der Zerstörungen im nordwestli-
chen Bereich nur geschätzt werden. Aber angesichts
der Quellenlage für die Jungbronzezeit ist das schon
ein großer Fortschritt.
Auf dieser Grundlage lassen sich auch Aussagen
zur sozialen Gliederung der Bewohner der Ansied-
lung treffen. Die Sozialstruktur dieser Gemeinschaft
wird durch etwa 30 Gräber mit Beigaben und etwa
80 Gräber ohne Beigaben in Ansätzen sichtbar. Die
Aufteilung nach Geschlechtern und das erreichte
Lebensalter, Ergebnisse die wir aus den anthropolo-
gischen Untersuchungen von P Caselitz 16 übernom-
men und archäologisch interpretiert haben, sind
nicht mehr an eine anonyme Zeitspanne oder an
eine nicht genauer zu definierende soziale Gruppe
gebunden. Sie haben vielmehr einen sehr konkreten
Bezug zu einer Zeitspanne und den Bewohnern einer
einzigen bäuerlichen Ansiedlung. Diese weilerartige
Siedlung (Abb.21) bestand allem Anschein nach aus
zwei Gehöften und aus einem Backhaus, die in einer
15 Die Fundvorlage ist mit den Publikationen Rullstorf I —III
abgeschlossen. Die Vorlage der Befunde und die Auswertung der
zahlreichen keramischen Funde aus den Siedlungsbereichen der
Fundstelle 5 sind in Vorbereitung.
16 P Caselitz, in diesem Band Tab. 1, S. 167 ff.
Das jungbronzezeitliche Urnengräberfeld
5.3.1 Korrelationen zwischen Grab-
und Siedlungsfunden
Nachdem wir die Frage geklärt haben, welche Ge-
fäßtypen auf dem Gräberfeld und in der Siedlung
gleichermaßen vorkommen, wollen wir prüfen, aus
welchen Anlagen und Gebäudegrundrissen der Sied-
lung vergleichbare keramische Objekte stammen bzw.
in welchen Befunden Gefäßtypen des Gräberfeldes
ihre Entsprechungen in der Siedlung haben. Dazu
haben wir alle im Gräberfeld belegten Formen mit
ihrem Vorkommen innerhalb der Siedlung kartiert.
Hier ist vorab zu sagen, dass sich die Auswertung der
Funde und Befunde aus dem Bereich der Siedlung
noch im Ausbau befindet, so dass einige Fragen, wel-
che die Siedlungsbereiche betreffen, hier noch nicht
mit letzter Sicherheit beantwortet werden können 15.
Die Untersuchungen sind aber so weit fortgeschritten,
dass wichtige Fragen, die das Verhältnis zwischen dem
Gräberfeld und den zugehörigen bronzezeitlichen Sied-
lungsphasen betreffen, beantwortet werden können.
Im Rahmen der Auswertungen waren innerhalb
der Fundstelle 5 drei Bereiche mit bronzezeitlichen
Siedlungsbefunden ausgemacht worden. Diesem Ergeb-
nis folgend waren wir zunächst davon ausgegangen,
dass auch alle drei Siedlungen bzw. Siedlungsphasen
an der Belegung des Gräberfeldes beteiligt waren.
Dem widerspricht die Verbreitung der mit dem
Gräberfeld übereinstimmenden Gefäßtypen in der
Siedlung. Ganz offensichtlich ist nur eine Siedlungs-
phase (ein Doppelhaus mit Backhaus) an der Belegung
des Friedhofs beteiligt gewesen, denn die Funde grup-
pieren sich eindeutig in diesem Haus bzw. in seinem
Umfeld (Abb.22). Sie fanden sich in den zahlreichen
Vorratsgruben, die nach ihrem Verfall als Abfallgruben
genutzt wurden und die meisten Belege und Überein-
stimmungen mit der Grabkeramik aufweisen.
Dieses Ergebnis hat Folgen, die sich auf alle
Auswertungsbereiche und vor allem auf deren Deutung
auswirken. Falls nur ein Gebäude, demnach auch nur
ein der Dauer dieses Gebäudes entsprechender Zeit-
raum für die Belegung des Friedhofs angesetzt werden
kann, so ist der Zeitabschnitt innerhalb dessen das
Gräberfeld belegt wurde, relativ kurz gewesen. Wir
dürfen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausge-
hen, dass die im Gräberfeld Bestatteten sich aus den
Bewohnern eines einzigen Hofes zusammensetzen,
der für die Dauer von etwa drei bis maximal vier
Generationen bestanden haben dürfte.
Die übrigen Höfe dürften - weil ihre Keramik auf
dem Friedhof fehlt - demnach eigene Friedhöfe gehabt
haben. Wenn das zutrifft, dann ist für die Siedlung
zu erwarten, dass es auch keine unmittelbare Konti-
nuität in der bronzezeitlichen Besiedlung zwischen
dem auf Abbildung 22 dargestellten Hof mit den
anderen in seiner Umgebung freigelegten jungbronze-
zeitlichen Ansiedlungen gegeben hat. Ebenso dürften
keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen
den Bewohnern dieses Hofes mit denen der übrigen
Ansiedlungen bzw. der einzelnen bronzezeitlichen
Siedlungsperioden bestanden haben, denn sonst hätte
man mit der Fortsetzung der Belegung des Friedhofs
rechnen müssen.
Freilich sind das nicht die einzigen Gesichts-
punkte, die vom obigen Befund berührt werden. Die
Anzahl der Bestatteten von etwa 130 Personen kann
nun auf die Bewohner eines einzigen Hofes - und mit
gewissen Einschränkungen - auch auf einen genauer
einzugrenzenden Zeitraum bezogen werden. Zu den
Einschränkungen gehört, dass wir die absolute Zeit-
dauer des genannten Hauses nur grob schätzen können.
Auch im Gräberfeld kann die absolute Anzahl der
Bestatteten wegen der Zerstörungen im nordwestli-
chen Bereich nur geschätzt werden. Aber angesichts
der Quellenlage für die Jungbronzezeit ist das schon
ein großer Fortschritt.
Auf dieser Grundlage lassen sich auch Aussagen
zur sozialen Gliederung der Bewohner der Ansied-
lung treffen. Die Sozialstruktur dieser Gemeinschaft
wird durch etwa 30 Gräber mit Beigaben und etwa
80 Gräber ohne Beigaben in Ansätzen sichtbar. Die
Aufteilung nach Geschlechtern und das erreichte
Lebensalter, Ergebnisse die wir aus den anthropolo-
gischen Untersuchungen von P Caselitz 16 übernom-
men und archäologisch interpretiert haben, sind
nicht mehr an eine anonyme Zeitspanne oder an
eine nicht genauer zu definierende soziale Gruppe
gebunden. Sie haben vielmehr einen sehr konkreten
Bezug zu einer Zeitspanne und den Bewohnern einer
einzigen bäuerlichen Ansiedlung. Diese weilerartige
Siedlung (Abb.21) bestand allem Anschein nach aus
zwei Gehöften und aus einem Backhaus, die in einer
15 Die Fundvorlage ist mit den Publikationen Rullstorf I —III
abgeschlossen. Die Vorlage der Befunde und die Auswertung der
zahlreichen keramischen Funde aus den Siedlungsbereichen der
Fundstelle 5 sind in Vorbereitung.
16 P Caselitz, in diesem Band Tab. 1, S. 167 ff.