4. Die Funde des sächsischen Urnenfriedhofs
4.1. Der Formenschatz der Urnen und seine Gliederung
Obgleich während der letzten 50 Jahre ein starkes Anwachsen des spätkaiserzeitlichen
und völkerwanderungszeitlichen Fundmaterials von der Nordseeküste und aus Nord-
deutschland zu beobachten ist, bildet doch auch heute noch die 1920 erschienene grund-
legende Arbeit von Alfred Plettke über „Ursprung und Ausbreitung der Angeln und Sach-
sen" den Ausgangspunkt für die chronologische Auswertung und die stammesmäßige Zu-
ordnung dieser Funde. Der Forderung nach einer vollständigen Neubearbeitung des Sy-
stems von Plettke67 steht die Erfahrung gegenüber, daß Plettkes Gliederung im wesent-
lichen auch an gut stratifiziertem Material aus Wurtengrabungen bestätigt werden kann68.
Mögen Neufunde in Einzelfällen auch andere Datierungen von Typen des Plettkeschen
Schemas erfordern, so bleibt seine Gliederung als Ganzes auch heute noch immer der beste
Ansatzpunkt für eine Differenzierung des Issendorfer Fundmaterials. Für die Datierung
werden selbstverständlich u. a. die chronologischen Hinweise zu berücksichtigen sein, die
Karola Zimmer-Linnfeld anhand der von ihr vorgelegten Funde aus Westerwanna erar-
beitet hat69.
Wir wollen nun zunächst die Frage behandeln, welche der von Plettke herausgestellten
Keramiktypen in Issendorf vorhanden und wie stark die einzelnen Typen hier vertreten
sind. Soweit erforderlich, soll dabei auch das von Myres70 jüngst vorgelegte Material be-
nutzt werden.
Für die Gliederung des Issendorfer Materials sind vor allem jene Keramiktypen heran-
zuziehen, die Plettke innerhalb der jüngeren Kaiser- und Völkerwanderungszeit als
Wester-Wannaer Typ behandelt. Dabei darf nicht verkannt werden, daß der große Urnen-
friedhof von Westerwanna der westlich der Osteniederung und des Teufelsmoores lie-
genden Westgruppe der Urnenfriedhöfe zugerechnet wird71. Dagegen gehört Issendorf
mit Perlberg und anderen Friedhöfen um Stade zu einem elbenahen südlichen Fundge-
biet, das besonders im Bereich der Keramik und der Fibelformen starke Beziehungen zu
holsteinischem Material aufweist. Wir lassen die Frage der kulturellen Beziehungen der
Funde von Issendorf zunächst noch aus der Diskussion heraus. Sie soll später erörtert
werden72. Allgemein sei aber bereits hier festgestellt, daß sich der Issendorfer Urnen-
67 Z. B. H. J. Eggers, Beiträge zur relativen und absoluten Chronologie der römischen Kaiserzeit in Nieder-
sachsen, in: Die Kunde NF 11, 1960, 2-13.
68 P. Schmid, Bemerkungen zur Datierung der jüngsten Siedlungsphase auf der Dorfwurt Feddersen Wierde,
Kr. Wesermünde, in: Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen, hrsg. v. H. Jankuhn, Bd. 4
(Hildesheim 1969) 158-169.
69 Karola Zimmer-Linnfeld a. a. O. 9 (wie Anm. 3).
70 J. N. L. Myres, Anglo Saxon Pottery and the Settlement of England (Oxford 1969).
71 A. Genrich, Formenkreise und Stammesgruppen in Schleswig-Holstein nach geschlossenen Funden des 3.
bis 6. Jahrh. (1954) 34. - F. Tischler, Der Stand der Sachsenforschung archäologisch gesehen. 35. Ber. d. RGK
1956, 64 f. - P. Schmid a. a. O. (wie Anm. 68) 159 ff.
72 Vgl. unten S. 66 ff.
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4.1. Der Formenschatz der Urnen und seine Gliederung
Obgleich während der letzten 50 Jahre ein starkes Anwachsen des spätkaiserzeitlichen
und völkerwanderungszeitlichen Fundmaterials von der Nordseeküste und aus Nord-
deutschland zu beobachten ist, bildet doch auch heute noch die 1920 erschienene grund-
legende Arbeit von Alfred Plettke über „Ursprung und Ausbreitung der Angeln und Sach-
sen" den Ausgangspunkt für die chronologische Auswertung und die stammesmäßige Zu-
ordnung dieser Funde. Der Forderung nach einer vollständigen Neubearbeitung des Sy-
stems von Plettke67 steht die Erfahrung gegenüber, daß Plettkes Gliederung im wesent-
lichen auch an gut stratifiziertem Material aus Wurtengrabungen bestätigt werden kann68.
Mögen Neufunde in Einzelfällen auch andere Datierungen von Typen des Plettkeschen
Schemas erfordern, so bleibt seine Gliederung als Ganzes auch heute noch immer der beste
Ansatzpunkt für eine Differenzierung des Issendorfer Fundmaterials. Für die Datierung
werden selbstverständlich u. a. die chronologischen Hinweise zu berücksichtigen sein, die
Karola Zimmer-Linnfeld anhand der von ihr vorgelegten Funde aus Westerwanna erar-
beitet hat69.
Wir wollen nun zunächst die Frage behandeln, welche der von Plettke herausgestellten
Keramiktypen in Issendorf vorhanden und wie stark die einzelnen Typen hier vertreten
sind. Soweit erforderlich, soll dabei auch das von Myres70 jüngst vorgelegte Material be-
nutzt werden.
Für die Gliederung des Issendorfer Materials sind vor allem jene Keramiktypen heran-
zuziehen, die Plettke innerhalb der jüngeren Kaiser- und Völkerwanderungszeit als
Wester-Wannaer Typ behandelt. Dabei darf nicht verkannt werden, daß der große Urnen-
friedhof von Westerwanna der westlich der Osteniederung und des Teufelsmoores lie-
genden Westgruppe der Urnenfriedhöfe zugerechnet wird71. Dagegen gehört Issendorf
mit Perlberg und anderen Friedhöfen um Stade zu einem elbenahen südlichen Fundge-
biet, das besonders im Bereich der Keramik und der Fibelformen starke Beziehungen zu
holsteinischem Material aufweist. Wir lassen die Frage der kulturellen Beziehungen der
Funde von Issendorf zunächst noch aus der Diskussion heraus. Sie soll später erörtert
werden72. Allgemein sei aber bereits hier festgestellt, daß sich der Issendorfer Urnen-
67 Z. B. H. J. Eggers, Beiträge zur relativen und absoluten Chronologie der römischen Kaiserzeit in Nieder-
sachsen, in: Die Kunde NF 11, 1960, 2-13.
68 P. Schmid, Bemerkungen zur Datierung der jüngsten Siedlungsphase auf der Dorfwurt Feddersen Wierde,
Kr. Wesermünde, in: Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen, hrsg. v. H. Jankuhn, Bd. 4
(Hildesheim 1969) 158-169.
69 Karola Zimmer-Linnfeld a. a. O. 9 (wie Anm. 3).
70 J. N. L. Myres, Anglo Saxon Pottery and the Settlement of England (Oxford 1969).
71 A. Genrich, Formenkreise und Stammesgruppen in Schleswig-Holstein nach geschlossenen Funden des 3.
bis 6. Jahrh. (1954) 34. - F. Tischler, Der Stand der Sachsenforschung archäologisch gesehen. 35. Ber. d. RGK
1956, 64 f. - P. Schmid a. a. O. (wie Anm. 68) 159 ff.
72 Vgl. unten S. 66 ff.
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