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Janssen, Walter
Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit (Heft 6, Teil 1): Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit — Hildesheim: Lax, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.63213#0029
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Landesaufnahme in Angriff zu nehmen. Ihre Befunde dürften, wie ausschnittsweise Be-
gehungen der Gemarkung Issendorf während der Grabungen ergeben haben, zu einem viel
dichteren und sicher auch andersartig strukturierten Fundbild führen.
1.5. Zur Forschungsgeschichte des sächsischen Urnenfriedhofes von Issendorf
Das Schrifttum zum sächsischen Urnenfriedhof von Issendorf ist so alt, so vielseitig und
reichhaltig, wie kaum für einen anderen der sächsischen Urnenfriedhöfe zwischen Nieder-
elbe und unterer Weser. Der Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, daß bereits in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit seiner Erforschung begonnen wurde. Martin Mus-
hard, geb. 1699 in Bremen, gest. 1770 in Geestendorf, langjährig Pfarrer zu Geestendorf,
war der erste, der Funde des sächsischen Urnenfriedhofs von Issendorf ausgrub und seiner
Privatsammlung einverleibte. Mushards Forschungen gehören selbstverständlich in den
größeren geistesgeschichtlichen Zusammenhang der Aufklärung und des neuzeitlichen Ra-
tionalismus, der nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern auch für historische For-
schungen aller Art eine neue Entwicklung und einen ungeahnten Aufschwung bedeutete.
Uber das Leben Martin Mushards, den man wohl als den bedeutendsten Vorgeschichts-
forscher Norddeutschlands zu jener Zeit ansprechen darf, unterrichtet uns die Allgemeine
Deutsche Biographie hinlänglich31. Sein für die Vorgeschichtsforschung wichtigstes Werk
ist der 1755 im Manuskript fertiggestellte „Palaeogentilismus Bremensis", eine Schrift, die
die von ihm in verschiedenen Gebieten Norddeutschlands geborgenen Funde beschreibt
und in für die damalige Zeit vorzüglichen Abbildungen vorlegt. Da Mushard keinen Ver-
leger für dieses Werk fand, gelangte es ungedruckt in die Staatsbibliothek zu Oldenburg.
Später wurde es nach Amerika verkauft. Aber es blieb keineswegs vergessen und ver-
schollen. Immer wieder wurden Auszüge und längere Zitate aus diesem Manuskript her-
angezogen und gedruckt. Größere Teile wurden z. B. 1838 im Vaterländischen Archiv des
historischen Vereins f. Niedersachsen veröffentlicht. Wichtige Auszüge aus dem Manu-
skript Mushards finden sich auch bei J. H. Müller32. Text und Abbildungen werden wieder-
holt auch von F. Roeder33 zitiert oder vorgelegt. Schließlich bezieht sich auch H. Willers
mehrfach auf Issendorfer Funde, die ihm aus dem teilweise veröffentlichten Manuskript
Mushards bekanntgeworden waren34 35. Daß der „Palaeogentilismus Bremensis" des Pastors
Martin Mushard eine „reiche Fundgrube für die Urgeschichte des Stadeschen Landes" sei,
erkannte so recht eigentlich erst Ernst Sprockhoff, als er sich entschloß, diese wichtige
Schrift vollständig und ganz neu herauszugeben33. Damit wurden die von Mushard ge-
machten Funde von Issendorf erstmalig der wissenschaftlichen Welt unverkürzt zugäng-
lich. Es zeigte sich, daß Mushard keineswegs nur einzelne Fundplätze, wie den von Issen-
dorf, ausgebeutet und ausgewertet hatte, sondern daß er, bestimmte Methoden der moder-
nen Siedlungsarchäologie vorwegnehmend, bereits den Siedlungsraum als Einheit seiner
Betrachtungsweise gewählt hatte. So verzeichnet er alle ihm noch bekannten oder sicht-
baren Bodendenkmäler des Auetales bei Harsefeld in einem topographischen Gesamt-
plan36. Dieser Plan enthält u. a. auch die Fundstelle des sächsischen Urnenfriedhofes von

31 23. Band (Leipzig 1886).
32 J. H. Müller, Vor- und frühgeschichtliche Alterthümer der Provinz Hannover (Hannover 1893) 170ff.; zur
überlieferungsgeschichte des Manuskriptes Müller a. a. O. 170 Anm. 2.
33 Vgl. z. B. F. Roeder, Die sächsische Schalenfibel der Völkerwanderungszeit als Kunstgegenstand und sied-
lungsarchäologisches Leitfossil (Göttingen 1927) 28 ff. - Ders., Neue Funde auf kontinental-sächsischen
Friedhöfen der Völkerwanderungszeit (Halle/Saale 1933).
34 H. Willers, Die römischen Bronzeeimer von Hemmoor (Hannover/Leipzig 1901) 84.
35 Martin Mushard, Palaeogentilismus Bremensis, hrsg. v. E. Sprockhoff, Jahrb. des Provinzial-Museums Han-
nover 1927, 41-172 mit Tafeln.
36 Mushard/Sprockhoff a. a. O. Taf. 1; vgl. Abb. 4.

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