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Janssen, Walter
Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit (Heft 6, Teil 1): Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit — Hildesheim: Lax, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.63213#0068
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Issendorf vorzufinden, fand also keine Erfüllung. Das ungeordnete Einfüllen von Leichen-
brand und Resten der auf den Scheiterhaufen geworfenen Gegenstände scheint aber zusätz-
lich dafür zu sprechen, daß den sogenannten Beigaben nach Abschluß der eigentlichen Ver-
brennungszeremonie kaum noch weitere Bedeutung beigemessen wurde. Hier im altsäch-
sischen Bereich war man offenbar weit davon entfernt, die Mühe aufzuwenden, die bei-
spielsweise in spätrömischer Zeit bei der Mitgabe von Beigaben üblich war.
Noch eine weitere Beobachtung ist in diesem Zusammenhang anzufügen. In vielen Ur-
nen fanden sich Bruchstücke fremder Tongefäße und zwar meist in verbrannter Form:
brandverzogen und sehr leicht. Dies war bei den Gräbern 27, 42, 52, 58, 69, 129, 130, 131,
246, 252, 276, 283 der Fall. Daß diese Scherben im Scheiterhaufen sekundär gebrannt wur-
den, ist kaum zweifelhaft. Aber wie gerieten sie in den Scheiterhaufen? Wurden außer
Glasgefäßen auch Tongefäße ins Feuer geworfen, als man den Toten verbrannte? Eine an-
dere Erklärung bleibt wohl kaum übrig, denn die Grabgefäße, in die der Leichenbrand ge-
geben wurde, kamen normalerweise gar nicht mit dem Feuer des Scheiterhaufens in Berüh-
rung. Das Auftauchen solcher fremder Gefäßscherben bildet in Issendorf jedenfalls keinen
Einzelfall. Es verweist uns wiederum auf die Frage, wie die Verbrennungszeremonie im
einzelnen wohl abgelaufen sein mag. Das Zertrümmern von Keramik- und Glasgefäßen
vermochte A. Genrich u. a. auf dem gemischtbelegten sächsischen Friedhof von Dörverden
bei Brandbestattungen nachzuweisen90. Besonders gute Beobachtungen zum Problem des
Bestattungsritus in sächsischer Zeit erlaubten A. Genrich die Scheiterhaufen, die er auf dem
gemischtbelegten Friedhof von Liebenau, Kr. Nienburg/Weser, ausgraben konnte91. Die
von Genrich auf Grund der Untersuchung von Scheiterhaufen gezogenen Schlüsse für die
Bestattungssitte entsprechen im wesentlichen den Beobachtungen an den Issendorfer Beiga-
ben. Sie unterstreichen außerdem den unten hervorgehobenen Auswahlcharakter dessen,
was sich als sogenannte Beigabe in den Urnen findet92.
4.3. Die verschiedenen Beigaben und ihre Häufigkeit
Es ist m. E. unumgänglich, bei der Behandlung von Beigaben aus Brandgräbern sich
nochmals der grundsätzlichen methodischen Einschränkungen zu vergewissern, die bei
allen aus den Beigaben möglichen Schlüssen unbedingt zu berücksichtigen sind. Was als
Beigabe in einer mit Leichenbrand gefüllten Urne letzthin dem Bearbeiter entgegentritt,
ist als Endprodukt zahlreicher Filtervorgänge zu werten, durch die das in der Urne noch
Vorhandene hindurchgelaufen ist, ohne einem dieser Filtervorgänge zum Opfer zu fallen.
Folgende Faktoren bestimmen im wesentlichen Art und Anzahl der Beigaben, die der Ar-
chäologe noch in den Urnen vorfindet:
a) Die Beigaben-Auswahl aus dem Gesamtbestand an Gegenständen ihrer Umgebung, die
die den Leichnam des Verstorbenen Bestattenden auf Grund des jeweils gültigen Grab-
ritus und der jeweiligen Jenseitsvorstellungen treffen.
b) Die Art und Weise, in der die als Beigaben ausgewählten Objekte während der Ver-
brennung und der Beisetzung des Toten im Zusammenhang des Grabritus verwendet
werden:
(1) Bei Brandbestattungen ist entscheidend, welche der ausgewählten Objekte auf den
Scheiterhaufen gegeben werden und ob sie heil oder zerbrochen dorthin gelangen;

90 A. Genrich, Der gemischtbelegte Friedhof von Dörverden, Kr. Verden/Aller (Hildesheim 1963) 12-14.
91 A. Genrich, Der gemischt-belegte Friedhof bei Liebenau, Kr. Nienburg (Weser), Nachr. aus Nieders. Ur-
gesch. 38, 1969, 3-24, bes. 19 ff.
92 Vgl. unten unter 4.3.

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