Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Janssen, Walter
Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit (Heft 6, Teil 1): Issendorf: ein Urnenfriedhof der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit — Hildesheim: Lax, 1972

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63213#0087
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5. Die Geschlechtsbestimmung auf Grund der Beigaben

Die Frage, welchen Geschlechtes das in einer Urne beigesetzte Individuum sei, kann nur
auf Grund geschlechtsspezifischer Beigaben beantwortet werden. Als solche dürfen gelten:
Perlen, Spinnwirtel, Nadelröhrchen für die Frauen; Waffen für die Männer. Alle anderen
Beigabentypen können nicht als geschlechtstypische Ausstattungsstücke angesehen wer-
den, weil sie sowohl bei Frauen als auch bei Männern gefunden werden. Mit der Frage
der Geschlechtsgebundenheit hat sich neuerdings G. Mildenberger gründlich auseinander-
gesetzt1423. Wie oben bereits dargestellt, treten zu den geschlechtsgebundenen Beigaben
einige Beigabenkombinationen hinzu, die nur auf Frauengräber bezogen werden können,
während andere Beigabenkombinationen im Hinblick auf das Geschlecht des Bestatteten
indifferent sind.
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen konnten inlssendorf insgesamt 62 Grä-
ber als solche von Frauen ermittelt werden. Frauengräber sind folgende: 1, 7, 8, 17, 27, 28,
35, 37, 38, 42, 45, 49, 52, 58, 60, 61, 63, 64, 69, 73, 74, 75, 76, 80, 95, 103, 112, 113, 114,
115, 116, 123, 125, 129, 130, 131, 149, 152, 155, 157, 188, 190, 196, 211, 218, 220, 221,
222, 226, 233, 236, 238, 239, 243, 259, 260, 261,266, 275, 281,283,285. Dazu kommen noch
die Gräber 11, 62, 65, bei denen begründeter Verdacht besteht, daß es sich um Frauengrä-
ber handelt.
Einwandfrei als Männergräber wurden in Issendorf lediglich drei Bestattungen ermit-
telt: die Gräber 147, 184, 247. Wegen der darin vorhandenen Eisenschnallen vermuten wir
in den Gräbern 206 und 46 ebenfalls Männergräber.
Damit sind rund 23 % der Gräber von Issendorf auf Grund archäologischer Hinweise
im Hinblick auf die Geschlechtszugehörigkeit bestimmt. Es wäre selbstverständlich ein
Trugschluß, wollte man das Mißverhältnis zwischen Frauen- und Männergräbern als Be-
weis für einen sogenannten Frauenfriedhof nehmen, auf dem ausschließlich oder vorwie-
gend weibliche Individuen bestattet worden seien. Das Äquivalent an Männergräbern zu
den nachgewiesenen Frauengräbern dürfte vielmehr unter den beigabenlosen Urnen zu
suchen sein. Selbst die von Mushard geborgenen Pfeilspitzen eingerechnet, ist die Waffen-
beigabe in Issendorf noch eine auffällig seltene Erscheinung. Es war offensichtlich nicht all-
gemein üblich, den Männern Beigaben, insbesondere ihre Waffen, mit ins Grab zu geben.
Etliche männliche Individuen müssen ohne jegliche Beigabe beigesetzt worden sein.
Den Unsicherheiten einer allein auf Grund der Beigaben vorgenommenen Geschlechts-
bestimmung könnte man entgehen, indem man die Leichenbrände einer anthropologischen
Untersuchung zuführte. Die organisatorischen Voraussetzungen für eine derartige Reihen-
untersuchung der Leichenbrände von Issendorf war gegeben, doch schreiten diese For-
schungen verhältnismäßig langsam voran, so daß zur Zeit anthropologische Untersuchungs-
ergebnisse noch nicht verwendet werden können.

142a G. Mildenberger, Die thüringischen Brandgräber der spätrömischen Zeit. Mitteldeutsche Forschungen
Bd. 60 (Köln, Wien 1970) 27-36.

5 Janssen

65
 
Annotationen