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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 1.1958

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Leggewie, Otto: Zeitschriftenschau des Landesinstituts für den altsprachlichen Unterricht in Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.32956#0020
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Zeitschriftenschau des Landesinstituts fiir den altsprachlichen
Unterricht in Köln

(Leiter im Auftrage des Kult.-Min. von NRW: OStD Otto Leggewie)

Albrecht Dihle, Analogie und Attizismus, Hermes 85 (1957), S. 170 ff.

Im Gegensatz zu der stark von grundsätzlichen, sprachphilosophischen Fragen bestimm-
ten stoischen Grammatik begnügte sich die rein philologische alexandrinische mit der
Konsequenz innerhalb des Systems. Dieser Gegensatz zwischen £jTLaTf|ixr] und teyvr)
scheint der eigentlich wichtige im Streit Anomalie/Analogie zu sein. In der Kaiserzeit
hat dann die T£%vr] gegenüber der £Jti0Tf|ur] das Rennen gewonnen. Doch hat im grie-
chischen Attizismus des 1. Jh. v. Chr. eine bestimmte Theorie wie die analogetische Dok-
trin keine entscheidende Rolle gespielt. Die üblichen griechischen Rhetoren haben sich nicht
um Grammatik gekümmert. Der griechische Attizismus, für den die Grammatik auch
nur in Wortwahl und Formenlehre hätte wichtig werden können, konnte rein aus der
Rhetorik entstehen, insbesondere aus dem ihr immanenten Prinzip der imitatio, die den
stilistischen Geschmack schulte. — Die grammatischen Studien der Römer setzten im
Scipionenkreise ein. Der sich im 1. Jh. v. Chr. entwickelnde Kanon solcher Redner, deren
Sprache puristischen Kreisen als rein und nachahmenswert galt, ist undenkbar ohne sein
Wirken, da die literarische Prosa in Rom im Gegensatz zum griechischen Bereich sich
erst mit und durch die grammatischen Studien zu einer Höhe entwickelte, die eine Ka-
nonbildung ermöglichte. Wie die im Scipionenkreise geführten Diskussionen um die
Sprachreinheit unter dem Einfluß der stoischen Grammatik standen, so steht auch der
vorattizistische Purismus des 1. Jh. v. Chr. in deutlicher Verbindung zur Stoa. Dieser
stoischen, grammatisch fundierten Rhetorik steht außer der rein technischen der grie-
chischen Redelehrer, die den Asianismus förderte, auch die auf peripatetischer Grundlage
entwickelte akademische Rhetorik etwa Ciceros gegenüber. Von den Analogeten, die ge-
genüber den (in Grammatik und Rhetorik) stoisch orientierten Puristen in der Minder-
zahl waren, ist Sisenna der einzige Autor, von dem wir wissen, daß die Analogie maß-
geblichen Einfluß auf seine Diktion genommen hat. Er ist Asianer. Daher verwundert
es zunächst, daß der Attizist Cäsar Analoget ist. Da die Stilbeschreibung des älteren
Purismus und des spezifischen Attizismus bei Cicero gleich ist, liegt der entscheidende
Unterschied offenbar nur in der abweichenden grammatischen Orientierung. Im Gegen-
satz zur Anwendung rhetorischer Regeln ließ sich die Nachahmung des alten attischen
Sprachgebrauchs nicht ohne weiteres nach Rom übertragen. Diese Lücke füllte man mit
Hilfe der Grammatik. Der vollzogene Wechsel in der grammatischen Theorie bedeutete
in erster Linie die Ersetzung einer mehr sprachphilosophischen Betrachtungsweise durch
die einer geschlossenen ars grammatica. Da die Analogie ein sehr viel eindeutigeres und
leichter lehrbares System lieferte, war sie für eine grammatische Propädeutik einfach
geeigneter. Da die Attizisten daneben die Beschränkung auf die verba usitata von
den älteren Puristen übernahmen, ergab sich insgesamt eine nicht zu unterschätzende
Verstärkung der puristischen Tendenz. Aber die strengere Sprachbehandlung Cäsars
und der Attizisten hat sich nicht durchgesetzt. Erst der Klassizismus des ausgehenden
1. Jh. n. Chr. befindet sich ungefähr in der Lage, die den griechischen Attizismus mehr
als 100 Jahre vorher ermöglicht hatte.

H. Rahn, Die Atticus-Biographie und die Frage der zweiten Auflage der Biographien-
sammlung des Cornelius Nepos, Hermes 85 (1957), S. 205 ff.

Die Interpretation des 19. Kapitels der Atticusvita führt zu einem negativen und po-

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