Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 5.1962

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Maisack, Alfred: Utrum sextani in lingua Latina an Graeca erudiendi sint
DOI Artikel:
Die Gesellschaft für humanistische Bildung in Frankfurt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33061#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
man, glaube ich, nicht überschätzen sollte. Aber was oben von der Straffheit und Logi-
zistik gesagt worden ist, das ist von Bedeutung. Schließlich heißt es dann: „Und wer
keine humanistische Begeisterungsfähigkeit besitzt und nicht in erster Linie weltanschau-
lich und geistesgeschichtlich interessiert ist, der braucht ja nicht auf das Humanistische
Gymnasium zu gehen.“ Sextaner mit humanistischer Begeisterungsfähigkeit - gibt es
denn die? Und: 'Weltanschauliches und geistesgeschichtliches Interesse bei Zehnjährigen
festzustellen wird auch dem geschicktesten Psychologen nicht ganz leicht fallen. Wir
wollen doch bei Kindern in diesem Alter nur mit größter Vorsicht von solchen Bega-
bungen oder Ausrichtungen sprechen, ganz abgesehen davon, daß ein Zehnjähriger
fast nie ins humanistische Gymnasium „geht“: Er wird gegangen, Vater und Mutter
treffen diese Entscheidung. Daß die Augen der Eltern den eigenen Kindern gegenüber
in punkto Begabung und Eignung oft etwas getrübt sind, sei nur am Rande erwähnt.

Ich darf in diesem Zusammenhang noch an zwei Erscheinungen erinnern, die sich
auf den ersten Blick wenig zu berühren scheinen: Die geistige Elite unserer Jugend ist
schon lange nicht mehr vollzählig an unserem Humanistischen Gymnasium versammelt;
und viele unserer Gymnasien ringen heute um ihre Existenz, eine Tatsache, die manche
Schulleiter an kleineren Orten jederzeit bestätigen werden. Würden wir mit Griechisch
beginnen, dann würden wir viele Eltern abschrecken, ihre Kinder zu uns zu schicken.
„Gottseidank“ werden manche Leser sagen; vielleicht haben sie recht, und im Grunde
meines Herzens stimme ich ihnen zu. Aber wenn wir uns auch von solchen Gedanken
nicht grundsätzlich leiten lassen, wenn wir auch nur auf solche Schüler Wert legen wol-
len, bei denen von Anfang an als Ziel ihrer Ausbildung das Abitur angestrebt wird und
die dazu auch geeignet erscheinen: Dürfen wir uns unter den gegebenen Umständen
diesen Bildungsstolz in jedem Fall erlauben?

Zusammenfassend ließe sich sagen: Für das Griechische als erste Fremdsprache läßt
sich Beträchtliches ins Feld führen. So etwa der von R. erwähnte Charakter des Gestalt-
haften, das der Welt des Zehnjährigen weit mehr gemäß ist als das Logizistische. Und
natürlich die Tatsache, daß man in 9 Jahren mehr erarbeiten kann als in 6. Ich würde
auch sagen, daß Griechisch im ganzen „leichter“ ist. Zumindest kommt man zu dieser
Überzeugung, wenn man, von einem Vergleich der Grammatiken ausgehend, Eigenart
und Bedingungen der Struktur der beiden Sprachen betrachtet. Wie sich das in den
Augen eines Zehnjährigen darstellen wird, ist eine andere Frage, die zu beantworten
ich mich nicht kompetent fühle, da mir hier die Erfahrung fehlt. Dem stehen die in den
letzten Jahren so off diskutierten Vorzüge des Lateinischen als fundamentum gegenüber;
sie scheinen mir von größerem Gewicht zu sein.

Ich habe diesen Aufsatz nicht mit heißem Herzen, sondern mit kühlem Verstand, ja
manchmal fast als advocatus diaboli geschrieben. Denn: Gibt es einen klassischen
Philologen, der den Wunschtraum eines „griechischen“ Gymnasiums nicht auch schon
einmal geträumt hätte? Aber Träume sind unverbindlich; in der Wirklichkeit sieht
manches anders aus.

Die Gesellschaft für humanistische Bildung in Frankfurt 1

Am 11. März 1961 wurde in Frankfurt am Main die GESELLSCHAFT FÜR
HUMANISTISCHE BILDÜNG gegründet. Am 3. Juni 1961 wurde die Satzung be-
schlossen und der Vorstand gewählt. Allgemeines Ziel der Gesellschaff ist es, im Bereich

1 Übernommen aus dem Mitteilungsblatt des Landesverbandes Flessen VII, 3,Nov. 1961.

9
 
Annotationen