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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 5.1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.21913#0099
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— 94 —

gegenwärtigen Zeit freilich sind auch auf diesem Gebiete
die Völker einander näher gerückt, und wie die Gebildeten
sicli gegenwärtig rühmen, aller Völker Sprachen sprechen
zu können, so verstehen sie es auch, die Spiele aller Welt
zu spielen. Das französische Piquet und Preference, das
spanische L'Hombre, das englische Whist und das italieni-
sche Tarok, sind gegenwärtig aller Orten allen Spielern
ziemlich gleich geläufig. Piquet und Whist, gewissermassen
die jüngsten Spiele, sind diejenigen, welche am meisten
und fast überall gespielt werden; das älteste Kartenspiel,
das Tarok, ist in seinen verschiedenen Formen hei jenen
Nationen am meisten gebräuchlich, welche, ihren Lebens-
gewohnheiten nach, auch am meisten am Alterthümlichen
festhalten, bei den Italienern und bei den Deutschen.

Das alte Piquetspiel wurde in derZeit König Karl’s VII.,
das Landsknechtspiel in der zweiten Hälfte des fünfzehnten
Jahrhunderts erfunden. Das Tarokspiel vindicirt Conte
Cicognara einem Bologneser, mit dem Namen Fibbia, der im
Jahre 1419 starb. Das Whistspiel kam in England erst im
achtzehnten Jahrhundert in Aufschwung. Die Franzosen
haben in ihre Karten zuerst die Damen aufgenommen; die
alten Spanier sind ihnen gefolgt. Die deutschen alten Karten
kennen sie nicht, sie haben nur König, Ober und Unter.
Die Cavaliers, die in den Karten deutscher und nördlicher
Völker eine grosse Rolle spielen, sind in dem französischen
Spiele nicht, da erscheint dafür der Valet; die Italiener
haben Re, Reina, Cavaliere und Fante. Die Geschichte der
verschiedenen Spiele, ihre Namen, ihre Ableitung hat
Alterthumsforscher und Curiositäten-Sammler vielfach be-
schäftigt, meistens Schriftsteller von untergeordnetem Rang,
manchmal auch Männer von Geist und Wissen, wie die
Engländer Singer und Chatto, die Franzosen Leber,
und Duchesne, die Deutschen Breit köpf, Hei necke
u. s. f.

Ausser dem Interesse, welches die Kartenspiele in
culturhistorischer Beziehung haben, und ausser jenem,
welches sich auf die ganz specielle Frage des Holzschnittes
und der Kupferstecherkunst bezieht, ist natürlich das vom
meisten Interesse, welches mit der Eigenthümlichkeit der
reinen Kunstseite im Zusammenhänge steht. Wenn wir die
Spiele ausnehmen, welche ausnahmsweise im Aufträge hoher
Herren von einzelnen Künstlern gemalt worden sind, und
uns blos auf jene beschränken, die durch Kupferstich oder
Holzschnitt entstanden sind, so nehmen gewiss diese alt-
italienischen, wahrscheinlich paduanischen Karten die erste
Stelle ein; sie stehen als Kunstwerke im eigentlichen Sinne
des Wortes ziemlich hoch oben. In ihnen bewährt sich die
Kunstfähigkeit des Zeichners vorzugsweise darin, dass er
die Allegorie in jener kühnen und freien Weise behandelte,
die seit den Zeiten des Dante und Giotto der ganzen
italienischen Kunst des vierzehnten und fünfzehnten Jahr-
hunderts eigen war. In manchen Fällen allerdings, z. B. in
dem Sturze des Phaeton, grenzt die Naivität der Vorstellung

an das Kindische, in manchen Fällen aber zeigt sich eine
Energie und Gewalt des Ausdrucks, z. B. in dem Engel,
welcher den Anstoss zur ersten Bewegung gibt, oder eine
schöne gedankenvolle Auffassung, welche diesem Werke
seinen Bang in der Kupferstecherkunst sichert. Zu diesen
Blättern können gerechnet werden der Apollo mit dem
Lorbeerkranze, auf einem von Schwänen gebildeten Throne
sitzend, mit seinen Füssen ruhend auf der Weltkugel, oder die
Figur der Astrologie, der Theologie, des Königs u. s. f.
Die spätere Zeit italienischer Kunst hat auf diesem Gebiete
wenig mehr geleistet, wie die im Jahre 1491 in Venedig
gemachten Karten zeigen, welche in dem Besitze der Mar-
quise Busca in einem fast vollständigen Spiele vorhanden sein
sollen. Die französischen Karten haben von Anfang an eine
gewisse Eleganz, wie die zwischen den Jahren 1390 und 1393
angeblich von Gringouner gemalten Karten zeigen.
Zwischen den französischen und deutschen Karten aber ist in
dieser Beziehung ein interessanter Unterschied in der Auf-
fassung wahrnehmbar, welcher sich in denselben ausspricht.
Die Franzosen haben zuerst dem Kartenspiele in dem Piquet,
dem alten sowohl wie dem neuen, eine Form gegeben, welche
so ziemlich von der ganzen Welt adoptirt worden ist. Die ein-
zelnen Figuren, welche sie dargestellt haben, halten sie seit
Jahrhunderten ziemlich treu beibehalten und ihren Witz und
ihre gute Laune darin gewissermassen gekennzeichnet, dass
sie die verschiedenen politischen Ereignisse mit in die Be-
zeichnung der Figuren hineingezogen haben. Die Deutschen
haben von Letzteren nur da einen Gebrauch gemacht, wenn
sie wirklich satyrische Blätter publicirt haben, sonst aber
haben sie ihre reiche Phantasie nach allen Seiten hin walten
lassen, und sind, wie in der Holzschneide- und Kupfer-
stecherkunst überhaupt allen Nationen weit überlegen, so
auch im Kartenspiele diejenige, welche die meiste künst-
lerische Erfindung an den Tag gelegt hat. Man könnte an
der Hand der deutschen Kartenspiele die Geschichte der
Kunst des Kupferstechens und Holzschneidens ebenso in das
Detail verfolgen, als man an den französischen Karten die
politische Geschichte von Frankreich nachweisen kann. An
der Spitze dieser deutschen kunstvollen Kartenspiele stehen
das in Holz geschnittene und gemalte der Ambraser Samm-
lung, ein oberdeutsches Kartenspiel, genannt „des Meisters
vom Jahre 1466“, und ein in der kaiserlichen Bibliothek in
Paris vollkommen erhaltenes Kartenspiel vom Jahre 1477,
dessen Figuren die meiste Verwandtschaft mit jenen haben,
welche sich im Besitze des Cabinets des Königs von Wür-
temberg befinden, und vom würtembergischen Alterthums-
vereine veröffentlicht worden sind.

Die Karten von Jost Aman, von Virgilius Solis und
wie die alten Karten- und Briefmaler alle heissen mögen,
constatiren die verschiedenen Einwirkungen der herrschen-
den Kunstrichtungen auf die Zeichnung dieser Karten. Dem
reichen jagdlustigen Adel Deutschlands entsprechen die ver-
schiedenen Arten von Thierkarten; für das zarte Geschlecht
 
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