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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 5.1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.21913#0130
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MITTHEILUNGEN

DER K. K. CENTRAL- COMMISSION

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Herausgegeben linier der Leitung des Präsidenten der k. k. Cen l rat - Co m ni i s si 0 n Sr. Excellcnz Karl Freiherrn V. Czoernig.

Redacteur: Karl Weis s.

V. Jahrgang.

Mai 1860.

Ikonographische Studien.

Von Dr. Anton Springer.

III.

Die dramatischen Mysterien und die Bildwerke
des späteren Mittelalters.

Die letzten Blätter des für alle Freunde gediegener
Forschung viel zu früh abgeschlossenen Werkes über die
„Mittelalterlichen Kunstdenkmale des ö s t e r-
reichischen Kaiserstaates" brachten eine Beschrei-
bung der Apostelfiguren und Prophetenbilder im Schiffe
der Liebfrauenkirche zu Wiener-Neustadt!). „An jedem
Pfeiler stehen trefflich aus Holz geschnitzte und bemalte
Gestalten der Apostel, der Zeit des Chorbaues, dem fünf-
zehnten Jahrhundert angehörig. Unter den Standbildern
hängen Halbfiguren der Propheten, welchen der Name des
oberhalb befindlichen Apostels, dessen Spruch aus dem
apostolischen Symbolum und einer darauf bezüglichen
Stelle aus den dargestellten Propheten beigeschrieben
sind.“ Das Motiv ist keineswegs neu oder selten. Sowohl
die Zusammenstellung der Apostel und Propheten, wie die
Verbindung der ersteren mit dem Credo, findet sich auf
mittelalterlichen Bildwerken öfter vor * 2). Was dagegen
bis jetzt nicht beobachtet oder wenigstens nicht hervor-
gehoben wurde, ist die Übereinstimmung mit poetischen
Darstellungen. Nicht allein treten in altdeutschen Dich-
tungen die Apostel auf, die einzelnen Glaubensartikel, wie

]) Freih. v. Sacken, die Liebfrauenkirche zu Wiener-Neustadt in den
Mittelalt. Kunstdenkmalen, li. Bd., S. 191.

2) Gegen- und Übereinanrlersteüungen von Aposteln und Propheten kom-
men an allen grösseren Bilderkreisen des Mittelalters regelmässig vor.
Wir erinnern nur an das nächstliegende Beispiel des Ulmer Chorgestühls.
Darstellungen des Credo kennen wir in der Trierer Liebfrauenkirche,
in der Kathedrale von Alby und in zahlreichen Glasgemälden. Drama-
tisirt erscheinen die Artikel des apostolischen Symbols im Chor-
gestühl der Rathhauscapelle zu Siena und aus der Abtei St. Ricquier
ira Museum Cluny. Katalogs-Nr. 228.

V.

sie dieselben nach alter Sage vor ihrer Zerstreuung zusam-
mengestellt hatten, recitirend *): auch die Verknüpfung
der Apostel und Propheten zeigt sieh in der Poesie vor-
gebildet.

In der Einleitung zu einem Frohnleichnamsspiele, welche
Mo ne 2) nach einer Innsbrucker Handschrift des XIV. Jahr-
hunderts herausgegeben hat, werden je ein Prophet und
Apostel vorgeführt, dem ersteren eine auf das Credo bezüg-
liche Weissagung, dem letzteren ein Artikel aus dem apo-
stolischen Symbol in den Mund gelegt. Betrachten wir die
Weissagungen näher und vergleichen wir sie mit jenen in
der Wiener - Neustädter Kirche, so stossen wir auf eine
durchgreifende Verwandtschaft. Es ist die Reihenfolge der
Propheten hier und dort beinahe dieselbe, es sind ferner
so ziemlich die gleichen Weissagungen, im Frohnleichnams-
spiel natürlich paraphrasirt, den einzelnen Propheten bei-
gegeben. Jeremias, David, Isaias, Oseas , Job sagen
in beiden Denkmälern dasselbe aus, Jeremias bekundet
den Glauben an Gott Vater, David an Gott Sohn , Isaias
an die Empfängniss , Oseas an die Niederfahrt und Auf-
erstehung, Job an die Auferstehung 3). Dass die Über-
einstimmung nicht vollständig durchgeführt wird, erklärt
sich aus der etwas unsicheren Tradition, welchem Apostel
der bestimmte Glaubensartikel zugeeignet werden soll. In
dieser Hinsicht bemerken wir beinahe in jeder Credo-

Das Spiel der Himmelfahrt Maria in Mone’s Altdeutsche Schauspiele
1841. V. 37—152.

2) Ebend. S. 143.

3) Die betreffenden Schrifttexte sind zu finden : Jerem. 3 , 19. Ps. 2 , 7.
Isaias 7, 14. Oseas 13, 14. Job. 19, 23. Dass im Frohnleichnamsspiel Joel
das berühmte Kirchenlied: Dies irae, dies illa anstimmt und Aggeus
die Sequenz: Veni creator Spiritus singt, wo in Wiener-Neustadt die
Stelle aus Joel 2, 18: Effundain spiritum meum super oranam caruem“
angeführt wird, ist zunächst eine poetische Lösung , wirft aber auch
ein anziehendes Streiflicht auf die Verknüpfung kirchlicher Lyrik mit
den dramatischen Spielen.

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