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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 5.1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.21913#0315
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310

schüft der Frauen J); auf Kämmen wird des haargewaltigen
Simson Kraft dargestellt, zum Schmucke der Kanzel werden
gern die Bilder der freien Künste und der christlichen
Tugenden gewählt, auf Kelchen die Typen des Abendmahles
und Opfertodes Christi verkörpert.

Im Angesichte solcher Muster war es wohl natürlich,
dass bei der Betrachtung romanischer Leuchter mit ihren
seltsamen Thiergestalten, mit ihren räthselhaften Kämpfer-
gruppen gleichfalls der Gedanke sich regte, ob nicht auch
hier der Bildschmuck mit der Bestimmung und den Func-
tionen des Geräthes in einem engen Zusammenhänge stehe
und auf diese Art das Unklare und Räthselhafte des Inhaltes
vielleicht gelöst werden könne?

Die Nothwendigkeit einer erneuerten Aufstellung des
Problems wird wohl Niemand bestreiten, der die gar weit
aus einander gehenden Deutungsversuche in Bezug auf den
Bilderschmuck romanischer Candelaber kennt und weiss,
dass die Verzweiflung, irgend welchen Inhalt den seltsamen
Thierfiguren abzugewinnen, zur Flucht bis in die entlegen-
sten Regionen des germanischen Alterthumes geführt hat.
Daran trägt nicht allein die Dunkelheit der Vorstellungen,
welche die Bilder der Altarleuchter verkörpern, die Schuld,
sondern auch die verhältnissmässige Seltenheit der uns
erhaltenen Geräthe dieser Gattung 2). Wir können die
Bildmotive nicht unter einander vergleichen, das Typische
und regelmässig Wiederkehrende von dem Zufälligen und
Vereinzelten nicht scharf genug sondern. Dankenswerthe
Publicationen der letzten Jahre haben diesen Mangel eiriiger-
massen beseitigt und das Material der Untersuchung be-
trächtlich erweitert.

Die Kronleuchter (coro?iaeJ, wenigstens in späte-
rer Zeit als Sinnbilder des himmlischen Jerusalem ent-
worfen * 2 3), bereits in der Constantinischen Periode aber
gebräuchlich 4) und in den ältesten Kirchenurkunden an-
geführt, lassen wir unberücksichtigt, da sie keine Schwie-
rigkeiten in Bezug auf ihre Deutung bieten, ihr Bilder-
schmuck auf Engelgestalten und biblische Figuren sich ein-
schränkt und dieselben überdies in Martin und Cahier 5 1)

!) Ibidem: Un petit mirouer, seant sur un pie d’argent dore et par dessus
une femme assise sur ie dos d’un homme. Offenbar ist hier Aristoteles,
welcher Alexander’s des Grossen Geliebte auf dem Rücken trägt, dieses in
der mittelalterlichen Poesie und Kunst so sehr beliebte Motiv, dar-
g’estellt.

2) Die Gründe des seltenen Vorkommens alter Leuchter gibt Weiss,
Mittelalterliche Denkmale des österr. Kaiserstaates I. 197, vollständig an.

3) Vgl. die Anfangsworte der Inschrift auf dem Kronleuchter zu Aachen:
„Celica Jerusalem Signatur imagine tali“, und auf jenem zu Hildesheim:
„Urbs est sublimis“.

4) Anastasius Ribliotb. S. Sylvester d. coronas cum delphinis viginti
und andere. Unzählige Male werden von Anastasius unter den Geschen-
ken Kronleuchter, Pharen und Candelaber angeführt. Da er sich aber
in der Regel mit der Angabe der Zahl und des Metallgewichtes begnügt
(ausser dem Delphinensehmucke erwähnt er noch [Vita S. Sylvestri] can-
delabra aurichalca cum oi natu suo ex argento interclusa sigillis prophe-
tarumj, so sind weitere Citate überflüssig.

5) Melanges d’Archeologie t. III. S. 1.

die genauesten und gründlichsten Erklärer gefunden haben.
Unsere Aufmerksamkeit richtet sich ausschliesslich auf die
Standleuchter, auf die einfachen Ceroferarien so-
wohl, welche auf einem Dreifusse ruhen, darüber die mit
Knäufen oder Pomellen geschmückte Röhre zeigen und oben
in eine Schüssel zum AufFangen des Wachses und die
kerzenhaltende Spitze ausmünden, wie auf die reicheren
Polykandelen, die siebenarmigen Leuchter, deren Ur-
sprung bis auf das jerusalemische Tempelgeräthe zurück-
geführt wird. Es gilt dieser Ursprung natürlich nicht von
den einzelnen, aus dem Mittelalter uns erhaltenen Exem-
plaren, wohl aber von dem Typus überhaupt, der uns in
der christlichen Welt zuerst auf Glasgefässen aus den
römischen Katakomben entgegentritt 1). Wie uns hier
jüdische Traditionen begegnen, so stossen wir bei den
eigentlichen Candelabern auf antike Wurzeln. Jene Licht-
träger wenigstens, welche aus altchristlicher Zeit in römi-
schen Kirchen 2 3) bewahrt werden, stimmen mit antiken
Candelabern im vatikanischen Museum vollständig überein.

Standleuchter mit der Ausstattung, welche in der
ganzen romanischen Periode im Gebrauche bleibt und
deren genauere Schilderung wir im Sinne haben, scheinen
in der Karolingischen Zeit in Aufnahme gekommen zu sein.
Der Tassiloleuchter im Stifte Kremsmünster, aus dem
Schlüsse des VIII. Jahrhunderts, von Fr. Bock in diesen
Blättern 3) beschrieben, ist das älteste uns bisher bekannt
gewordene Beispiel. „Die Ständer der dreiseitigen Basis
fehlen; Salamander oder Greife und Löwen, vom Lichte
abgekehrt, gegen ihren Willen dem Lichte dennoch dienst-
bar, treten als Stützen des Fusses vor, zwischen ihnen sind
ähnliche Thierunhohle auf den Platlflächen dargestellt. An
der durch drei Knäufe gegliederten Röhre zieht sich ein
Randstreifen entlang, dessen gravirte Pflanzenornamente
bereits den reinen romanischen Charakter an sich tragen.
In dem Tiefgrunde, der von diesen aufgeschweissten Bändern
freigelassen ist, erblickt man kriechende Thiergestalten,
die mit dem Vorder- und Hinterkörper arabeskenartig in
einander verschlungen sind.“

1) Perret, Les catacombes vol. IV. pl. 24. no. 23 u. 29. Diese Glasgefässe,
von welchen das Eine mit der Umschrift PIE ZESIS ELARES versehen
ist, dürften Judenchristen angehört haben.

2) C i a in p i n i vol. III. pl. 29. Ibid. p. 134: Martinellus in sua Roma sacra
occasione qua S. Agnetis describit ecclesiam , sex marinorea candelabra
(in eccl. S. Constantiae) extitisse asserit, deinde ad dictam S. Agnetis
ecclesiam fuisse translata, quoruin bases triagonales erant, in quibusaves
cum facie humana puerique uvas decerpentes et arietum capita insculpta
cernebantur. Hodie tarnen ex bis quinque tantum exstant, tria videlicet
in eccl. S. Agnetis, duo in praefata S. Constantiae. Vgl. Visconti
Museo Pio - Clementino vol. IV. t. 1 —8; vol. V. t. 1, 3; vol. VII.
t. 38—40.

3) Mittheilungen der k. k. Central-Commission IV. 44. Wir müssen uns an
ßock’s Versicherung beruhigen, dass dieser Leuchter mit dem Tassilo-
kelche im Materiale und in der technischen Arbeit vollständig identisch
sei, also der gleichen Zeit angehöre. Wäre diese an der Untersuchung
der Originale erhärtete Versicherung nicht vorhanden, so würden wir
dem Leuchter unbedingt ein jüngeres Alter znschreiben.
 
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