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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 10.1865

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Sacken, Eduard von: Die Kirche S. Zeno in Verona und ihre Kunstdenkmale
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https://doi.org/10.11588/diglit.25923#0130
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Dr. Eduard Freiherr von Sacken.

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wo gerade in dieser Zeit der Grund zu der lange andauernden fast schematischen Gleichförmig-
keit der Bauformen gelegt wird. Der frische Hauch germanischer Sinnesweise, der das ganze
mittlere Europa zu neuem Lehen erweckte, führt auch hier zu selbstständigeren Bestrebungen
und bringt eigenthümliche architektonische Gedanken zur Geltung, die oft eine glückliche Ver-
schmelzung der verschiedenen Elemente zeigen und sich in Mischformen ausprägen, die, weiterer
Entwickelung fähig, die Blüthe des Romanismus vorbereiten. Gerade die Wechselwirkung der
beiden Factoren, der römischen Tradition und des freieren germanischen Zuges, übt oft einen
wohlthätigen Einfluss, indem letzterer einen Aufschwung des ganzen baulichen Principes durch
das Aufstreben der Verhältnisse, lebendigere Gliederung und Raumeintheilung bewirkte und in
die typischen Formen Leben brachte, erstere durch ihre massvolle Classicität auf die phantastische
Richtung, die oft im Detail grell hervortritt, sänftigend einwirkte. Wenn auch bisweilen keine
vollständige Assimilirung der Elemente bewerkstelligt werden konnte und die Reste der antiken
Bildung mit fremden Ideen etwas unvermittelt verbunden erscheinen, — ähnlich wie im politischen
Leben eine Mischung der Verhältnisse und Mangel an nationaler Einheit herrschte — so wird
doch durch das Streben nach selbstständigen Gestaltungen, z. B. den Wechsel von gegliederten
Pfeilern mit Säulen, das Unterziehen der flachen Decke mit hohen Gurtbögen, die Anlage hoher
Krypten, die freiere Ornamentik, die organische Umbildung und eine neue Aera der Baukunst
vorbereitet.
Mit der Entwickelung des Bürgerthumes und dem Aufblühen der Städte entstand in Ober-
italien eine Reihe von Bauwerken, die von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung sind, insbe-
sondere in dem reichen angesehenen Verona, das mit dem Norden in besonders lebhaftem Ver-
kehr stand.
Wir wenden uns nun zur Betrachtung des vornehmsten Denkmales dieser einst mächtigen
Stadt, der Kirche San Zeno Maggiore, welche sich als eines der edelsten, bedeutendsten
und besterhaltenen Bauwerke Oberitaliens darstellt.
Über die Zeit der Erbauung ist urkundlich so gut wie nichts bekannt; einige wichtige
Daten liefern uns aber mehrere Inschriften, freilich sehr fragmentarisch, und es bleibt der Muth-
massung und Combination ein weiter Spielraum.
Der heilige Zeno, Zeitgenosse des h. Ambrosius und der Kaiser Valentinianus und Gratianus,
war der achte Bischof von Verona und endete sein segensreiches Wirken den 12. April 380.
Schon im VI. Jahrhundert bestand über seinem Grabe ausserhalb der Stadt eine Kirche; dies
erhellt aus einer Erzählung Paul Warnefried’s (Hist. Longob. III, 23) und Gregors des Grossen
(Dial. Lib. III, cap. 19). Bei einer furchtbaren Überschwemmung der Etsch, welche die Stadt
unter Wasser setzte und ganze Landgüter zu Grunde richtete, flüchteten sich viele Einwohner
in die erwähnte Kirche, in welche, obgleich nahe dem Flusse gelegen, kein Wasser ein-
drang; es blieb wie eine Mauer vor der Kirche stehen. Dieses Wunder, welches sich am
17. October 589 zugetragen haben soll, vermehrte noch den Glauben an den ohnehin schon ver-
ehrten Heiligen, der von nun an als Patron in Wassernöthen angerufen wurde. Die Kirche scheint
aber nicht an der Stelle der gegenwärtigen gestanden zu sein; diese, deren Erbauung von Einigen
dem Könige Pipin, Sohn Karl’s des Grossen, von Anderen den Longobarden zugeschrieben wird,
dürfte zu Anfang des IX. Jahrhunderts von Bischof Ratoldo gegründet und den Benedictinern
übergeben worden sein, behufs der Translation der Gebeine des Heiligen, die am 12. Mai 810
Statt hatte. Der Bestand des Klosters schon in dieser Zeit erhellt aus einer Urkunde Pipin’s vom
Jahre 807, welche demselben das kleine Kloster S. Pietro di Mozadega einverleibt1. S. Zeno wird
in dem Epitaph des Arcliidiacons Pacificus vom Jahre 846 im Dom von Verona unter den Kirchen
1 Biancolini, Notizie storiche delle chiese di Verona, I, 44.
 
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