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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 10.1865

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Sacken, Eduard von: Die Kirche S. Zeno in Verona und ihre Kunstdenkmale
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https://doi.org/10.11588/diglit.25923#0129
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Die
Kirche S. Zeno in Verona und ihre Kunstdenkmale.

Von Du. Eduard Freiherrn von Sacken.

(Mit 3 Tafeln und 24 Holzschnitten.)

In der Entwickelungsgeschichte der Cultur haben jene Perioden eine besondere Bedeutung und
für die Forschung einen eigenthümlichen Reiz, in denen der menschliche Geist in kräftigem Auf-
streben nach neuen Gestaltungen ringt und in grossen markigen Zügen die Grundlagen zu einer
neuen lebenskräftigen Richtung feststellt, die in ihrer Entfaltung Grosses und Schönes hervor-
bringt. So unerquicklich jede Art des Verfalles berührt, so ergreifender ist das Kämpfen des
Geistes um Ausdruck und Form, und selbst wenn diese noch vielfach unbeholfen und ungenügend
erscheint, entschädigt das Überwiegen des geistigen Inhalts, die Energie und Jugendkraft des
Strebens, das frische warme Leben, das in den noch unentwickelten Formen, die geheimnissvoll
den Keim zur edelsten Bltithe in sich bergen, pulsirt.
Als eine solche Periode stellt sich das XI. Jahrhundert in seinen künstlerischen Bestre-
bungen dar; es ist noch ein unruhiges Wogen der verschiedenen Elemente, die Stoffe sind noch
ungegohren, aber in der Architectur kommt ein mächtiger Geist zum Durchbruch, der, die klas-
sischen Traditionen mit lebendigem Sinne umbildend, neue Gestaltungen ins Leben ruft und so
den blüthenreichen romanischen Styl in anfangs noch etwas derben Zügen charakterisirt, die
aber gegen Ende des Jahrhunderts bereits zu massvoller Schönheit ausgebildet erscheinen. Noch
ist kein bauliches Schema festgestellt und so der individuellen Conception ein freierer Spielraum
geboten, als es in mancher Beziehung bei der späteren ausgebildeten Gestaltung des Systemes
der Fall war, und in den verschiedenen lebhaften Wandlungen konnte sowohl die nationale
Gefühlsweise als der specifisch-künstlerische Gedanke des Einzelnen zum Ausdruck kommen.
Erscheint auch manche Idee nur als Versuch, so tragen sie doch alle zur monumentalen Vollen-
dung, die im ausgebildeten Gewölbebau erreicht wurde, bei und es liegt allen die Tendenz nach
charakteristischer Ausprägung der in der christlichen Sinnesweise liegenden Elemente zu Grunde.
Diese Erscheinungen treten an der früh romanischen Architectur Oberitaliens in schlagen-
der Weise hervor. Obwohl hier durch die nationalen Verhältnisse und die engeren Beziehungen
mit dem Mittelpunct der Kunstthätigkeit und des kirchlichen Lebens — mit Rom — ein enger
Anschluss an das altchristliche Kirchenbausystem, die Basilica gegeben war, so macht sich
doch der mächtige Einfluss der germanischen Stämme geltend und durch, den Verkehr mit dem
Norden entfaltet sich ein weit regeres Leben als in den rein romanischen Theilen des Landes,
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