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eine 1,88x0,78 m messende, mit vergoldetem Kupferblech überzogene Holztafel zur Verklei-
dung der Vorderseite des Nikolausaltars. Breite, buntemaillierte Leisten zerlegen das ge-
streckte Rechteck in ein Mittelfeld und zwei quadratische, sechsteilige Seitenfelder. Im Mittel-
feld steht in der Mandelglorie, umgeben von den vier Evangelistensymbolen, Christus groß
und ernst, fast bartlos, mit mächtigem Kreuznimbus, in der Linken das Buch des Lebens
haltend, die geöffnete Rechte in der Geberde des Redens erhoben. Ihm zu beiden Seiten
reihen sich übereinander die zwölf Apostel mit Büchern oder Schriftrollen, das Gesicht, zum
Teil auch den Körper dem Herrn zugekehrt. Die streng architektonische Gliederung wird
durch den Gegensatz der rechteckig geteilten Flügel zu dem Oval der Mitte leise belebt.
Sämtliche Gestalten sind stehend gebildet in gleichartiger Haltung und demselben, nur leicht
variierten antiken Gewand. Sie sind alle isoliert, aber die in der Kopfhaltung zum Aus-
druck kommende Beziehung der Seitenfiguren zu der überragenden Hauptgestalt gibt der
ganzen Darstellung einen Hauch von Beseelung und innerer Einheit. Der vornehme Ton
des vorherrschenden Goldes, erhöht durch die sieben Farben des Emails und einst auch durch
Perlen und Edelsteine, sichern dem kostbaren Stück eine große dekorative Wirkung.
Das Kloster lag, wie gesagt, westlich vom Münster. Infolgedessen erfuhr das Schema
eine starke Verschiebung. Die Einzelheiten haben nur für den Spezialforscher Interesse, doch
sei hervorgehoben, daß außer dem Nord- und Südflügel des Kreuzgangs der südlich an
den Westarm der Kirche sich anlehnende Kapitelsaal mit der alten, in Arkaden aufgelösten
Eingangswand (jetzt die Schenkenkapelle genannt mit schönen Grabsteinen und einem romani-
schen Lesepult aus Stein) auf uns gekommen ist (Abb. 27) und daß auch die Marienkapelle,
eines der sichersten Merkmale der kluniazensisch-hirsauischen Klosteranlage, nicht fehlte (ab-
gebrochen 1830).
Kleinkomburg
Nur wenige hundert Meter südlich Großkomburg gegenüber liegt das 1108 gegründete,
nach seinem Patron, dem hl. Ägidius, auch St. Gilgen genannte Kleinkomburg (auf Abb. 22
links vorn). Seine Kirche gehört zu den besterhaltenen romanischen Bauwerken unseres
Landes. Ob die späte Überlieferung, daß St. Gilgen als Frauenkloster gegründet worden
sei, Glauben verdient, kann hier nicht untersucht werden (vgl. darüber Inventar S. 635 f.);
jedenfalls ist die auf uns gekommene Kirche nicht als Frauenklosterkirche gebaut worden,
weil ihr jede Spur einer Nonnenempore fehlt. Es war eine Nebenkirche für die Mönche
von Großkomburg, wie ja die Kluniazenser und Hirsauer in der Nähe ihrer Hauptmünster
kleinere Gotteshäuser zu errichten liebten, um Gelegenheit zu Abwechslung in den kirchlichen
Begehungen und zu Prozessionen in die Nachbarschaft zu habens. Jedes der wichtigeren
Benediktinerklöster war „eine kleine Kirchenstadt". Solche Nebenkirchen kennen wir in Kluni,
Hirsau, St. Blasien, Lorch u. a. übrigens ist die Kirche auch auf den Anbau einer Klausur,
also einer Art Filiale von Großkomburg, eingerichtet; denn sie besitzt in der Westwand des
nördlichen Kreuzarms ein der Erbauungszeit angehörendes Portal (sieheAbb.29) an dem regel-
0 s. Gradmann in der Festschrift der Altertümecsammlung in Stuttgart 1912, S. 89.
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