Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Zisterzienser
Im 12. Jahrhundert ging es mit den Kluniazensern bergab, nach der Mitte des Jahr-
hunderts wird auch in Hirsau von Verfall berichtet. Reichtum, da und dort auch übergroße
Verarmung, der Kampf um Macht und Besitz hatten die religiösen und sittlichen Grund-
lagen untergraben. Aber der immer noch lebenskräftige Reformgedanke trieb in demselben
Burgund aus der alten Wurzel eine neue Bewegung hervor, die in dem Zisterzienserorden
(benannt nach dem 1098 gegründeten Kloster Cistercium, Citeaux bei Dijon) eine feste Form
gewann. Als dann im Jahr 1112 der hl. Bernhard von Clairvaux, die größte religiöse
und kirchliche Gestalt des 12. Jahrhunderts, in den jungen Orden eintrat, breitete sich dieser
rasch über Frankreich, Deutschland, England und das übrige christliche Europa aus, bis
auch diese Welle verebbte und im 13. Jahrhundert durch die Bettelorden abgelöst wurde.
Die Zahl der Zisterzienserklöster, lauter Neugründungen, stieg ins Unerhörte. Nicht in
demselben Maß in Deutschland, doch waren es um 1150 schon über 50. Auch auf dem
heute württembergischen Boden erstanden mehrere Siedlungen der Bernhardiner oder der
grauen Mönche, wie man die Angehörigen des neuen Ordens auch nannte; zwei davon, Maul-
bronn und Bebenhausen, haben ihren mittelalterlichen Baubestand in einer Unversehrtheit,
wie sie selten ist, auf unsere Tage herübergerettet.
Die erste Forderung der Zisterzienser war die unbedingte Befolgung der Regel des hl. Be-
nedikt ohne Abstriche und Erweichung; also Rückkehr zur alten Einfachheit und Armut,
Abstellung des Übermaßes der gottesdienstlichen Verrichtungen und Wiederaufnahme der
täglichen Handarbeit. Das Ora et labora! sollte wieder gelten.
Um sich von der Welt unbefleckt zu erhalten, kam man auf den uralten Gedanken der
Einsiedler und Anachoreten zurück, nur wurde er von den einzelnen Mönchen auf die klö-
sterlichen Gemeinschaften übertragen: die Klöster sollten aus der Welt hinausverlegt werden
in die Einsamkeit. Dann mußte aber mit dem Grundsatz der Autarkie, der wirtschaftlichen
Unabhängigkeit, völlig Ernst gemacht und jedes Kloster ganz auf eigene Füße gestellt werden.
Hatten die Kluniazenser von den Erträgnissen ihrer gegen Zins ausgetanen Güter, also von
fremder Arbeit gelebt, so gingen die Zisterzienser zum reinen Eigenbetrieb über. Dazu reichte
freilich die Arbeitskraft der Mönche nicht aus, wenn sie nicht ihrer wichtigeren Aufgabe des
Gottesdienstes entzogen werden sollten. So bauten sie die ältere Einrichtung der Laien-
brüder, die jetzt Konversen genannt wurden, weiter aus. Die bisher lose angegliederten
Brüder wurden, mit der Verpflichtung zu Gehorsam, Armut und Keuschheit, aber mit ver-
minderter gottesdienstlicher Inanspruchnahme, in die Klostergemeinde ausgenommen und zu
66
 
Annotationen