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bauten der Blüteperiode überall — allerdings mit dem Unterschied größerer oder geringerer
Reinheit — den zisterziensischen Dialekt der burgundischen Formensprache, eine Erscheinung,
die in der spröden Sonderart des Ordens, der burgundischen Zentralleitung der Einzel-
klöster und dem Baubetrieb mit eigenen Werkleuten ihre Erklärung findet.
Für Deutschland ist allerdings die Einschränkung zu machen, daß hier der burgundische
Stil erst mit Beginn des 13. Jahrhunderts eindringt, während die Bauten des 12. sich noch
an die einheimische Art halten oder nur einzelne zisterziensische Formen übernehmen. Die
beiden einzigen alten Zisterzienserkirchen Württembergs, Maulbronn und Bebenhausen, —
Herrenalb muß hier außer Betracht bleiben— sind deutschromanisch. Erst mit dem Paradies
und Herrenrefektorium in Maulbronn setzt der Einfluß Burgunds ein, behauptet sich aber
nur wenige Jahrzehnte. Bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts erlangte die nord-
französische Gotik die Alleinherrschaft und in der Hochgotiken und vollends in der spät-
gotischen Periode haben die Bauwerke der Zisterzienser wenig mehr, was sie von dem all-
gemeinen Zeitstil unterscheidet.
M aulbronn
Der einzigartige Wert Maulbronns liegt in seiner typischen Bedeutung. Nach dem heutigen
Denkmälerbestand nicht nur in Württemberg, sondern in ganz Deutschland stellt Maulbronn
die vollkommenste Verkörperung des mittelalterlichen Klostergedankens dar. Es ist für uns
das Musterbild des Zisterzienserklosters, ja des Klosters überhaupt.
Die weltabgeschiedene Lage in einem engen Tal, dessen Bach zu Fischteichen gestaut ist
und an dessen Abhängen hier die Rebe gedeiht, dort edler Sandstein bricht; der Gebäude-
komplex hinter Graben und Mauer, vorn der große Wirtschastshof mit Mühle und Frucht-
kasten, Kellereien und Werkstätten, dann das Kloster im engeren Sinn, die gestreckte Kirche
mit dem hochgesprengten Altarhaus zwischen den düsteren Bußzellen der Mönche und mit
dem ragenden Kruzifix über dem Altar der Laienbrüder, der würdige Kapitelsaal, das
feierlich großartige Herrenrefektorium, der Kreuzgang mit der anmutigen Brunnenkapelle; im
Hinteren Hof das Haus der Gäste und die Ruine des Krankenhauses am alten Begräbnis-
platz unter dem Faustturm; weiterhin in der Umgebung die Gutshöfe und sonstigen Werke
der klösterlichen Landwirtschaft — das alles ist mehr als eine Reihe anziehender Einzelzüge,
es ist ein organisches Ganzes von beispielloser Vollständigkeit und Reinheit. Wer dieses
Gesamtbild im Zusammenhang seiner Teile geschaut hat, dem ist sinnfällig klar geworden,
welche Kulturmacht das mittelalterliche Mönchtum war.
Den Eindruck erhöht die Stattlichkeit und Vornehmheit der ganzen Anlage. Der um-
mauerte Bezirk bildet ein Rechteck von etwa 250 m Länge und 150 m Breite. Die Höfe
und Gebäude sind weit und geräumig. Die Kirche mißt innen 65 m, mit der Vorhalle 75 m
und übertrifft damit die älteren deutschen Kirchen des Ordens um ein Beträchtliches; einen
Speisesaal von der Größe und Höhe des Herrenrefektoriums besaß damals kaum ein König.
Der Frachtkosten, die Mühle, die Schmiede sind mächtige Bauten. Dazu kommt die künst-
lerische Höhenlage der feineren Werke. An der Spitze müssen fast immer kunstsinnige Männer
gestanden sein, die auf achtunggebietende bauliche Ausgestaltung der Abtei hielten und die
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