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Meyer, Gustav [Hrsg.]
Lehrbuch der schönen Gartenkunst: mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.19763#0016
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Der arabische oder maurische Gartenstyl.

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solche die persischen Könige von meilenweiter Ausdehnung besessen
haben sollen.

Da wir auch die übrigen von den Schriftstellern des Alterthums uns
als sehr ausgedehnt und prächtig geschilderten Paradiese der persischen
Könige stets in dem Gebiete reichhaltiger Quellen antreffen, so dürfen
wir an die Möglichkeit derartiger ausgedehnter Anlagen in jenen sonst
dürren Gegenden nicht zweifeln.

Die Wasserleitungen zur Berieselung der fürstlichen Gärten hatten
oft meilenweite Ausdehnung, und durch solche allein war es möglich, den
sonst ausgedörrten Boden kulturfällig zu machen und eine meilenweite
üppige Vegetation da zu erzengen, wo sonst der Wind mit Flugsand spielte
oder der Boden vor Dürre rissig war. Die persischen und ägyptischen.
Könige suchten sich in solcher riesenhaften Bekämpfung der Natur den
Ruhm streitig zu machen und legten zuweilen, wie z. B. der jüngere
Cyrus, selbst Hand an die Anpflanzungen von Alleen und Gehölzen.
Ihre Paradiese waren im eigentlichen Sinne des Wortes durch Kunst her-
gestellte üppige Oasen, welche man der ausgedehnten Wüste gegenüber
in ihrem hohen Werthe erst recht schätzen lernte. Mau bepflanzte den
Baum nicht etwa gleickmäf&ig mit Bäumen, sondern liefs Gehölze mit
lippig grünenden Lichtungen und Kulturfeldern abwechseln, man gewann
der Natur zunächst eine glückliche Gegend ab, und durchzog sie sodann
oder gleichzeitig mit schattigen Alleen, von denen aus man die üppig
strotzende, kurz zuvor noch öde und leere Gegend genofs. Sicherlich
mufste eine Spazierfahrt durch solche Alleen von nicht minder beseligen-'
den Empfindungen begleitet sein, als die Erinnerung einer ruhmvoll ge-
wonnenen Schlacht. Ein grofsor Theil wurde, da die Jagd sehr geschätzt
war, zu einem Wildpark bestimmt und besonders eingehägt.

Solcher Paradiese, worin die schattigen Alleen und Haine von Pla-
tanen , Cypressen und Palmen, die Zierlichkeit der kleinblättrigen Ulme,
die Schönheit des Rosengebüsches und der mannigfaltigen Fruchtbäume
voll goldglänzender erquickender Früchte, die freiwillig unter den Kronen
der Bäume aufschiefsenden oder längs der Alleen in Beeten angepflanzten
lieblich duftenden Lilien, Tazetten, Tulpen, Veilchen und Mohnblumen,
sowie die zierlichen Chiosk's, schattigen Ruhesitze, Springbrunnen, Vogel-
häuser und Aussichtstürme bewundert wurden, werden dem jüngeren
Cyrus (100 v. Ohr.) zwei zugeschrieben. Das eine befand sich nach
Plutarch zu Sardos an dem kleinen, viel Goldsaud mit sich führenden
Flufs Pactolus in Lydien, das andere zuCelünä, einer zu Xenophons
Zeit sehr blühenden Stadt in Phrygien unweit der Quellen des Mäander,
welcher durch die Stadt flofs. In dem letzteren, welcher so grofse Lich-
tungen hatte, dafs er ein bedeutendes griechisches Hilfsheer darin
mustern konnte, hägte er auch viele wilde Thiere.

Wie bei diesen alten Paradiesen der Obst- und Küchengarten, oder
überhaupt das rein Nützliche, von den eigentlichen Lustanlagen nicht
getrennt, sondern Beides stets vereint wurde, ist es in jenen Gegenden
des westlichen Asiens, wo dieser Styl herrschend ist, bis heute noch der
Fall, was grofsoutheils durch das sehr heifse Klima bedingt wird; denn
alle Gräser wachsen hier mannshoch, sodafs der Rasen durch Futter-

kräuter , besonders Klee, ersetzt werden muss, welchen man zum Theil
mit Gemüsefeldern abwechseln läfst. Hierzu kommt, dafs die meisten der
schöneren Zierbäume zugleich Nutz- oder Obstbäume sind und mit deren
Aufnahme in die Gärten nothwendig auch deren seit uralter Zeit in jenen
Gegenden gebräuchliche, auf eine gleichmäfsige Bewässerung und Be-
schattung der Unterfrüchte und des Bodens abzielende Kulturmethode, die
sogenannte Baumfelderwirthschaft — oder Kultur von Futterkräutern
und Gemüsen auf den Zwischenfeldern zwischen Reihen von Oelbäumen,
Sycomoren, Feigen, Maulbeerbäumen und anderen Fruchtbäumen — auf
die Lustgärten übertragen worden ist. Ueberdies ist auch der Geschmack
des Orientalen dem der civilisirteren Nationen gemäfsigter Himmelsstriche
gegenüber zurückgeblieben und bisher keinem eigentlichen Wechsel unter-
worfen gewesen, welcher Umstand gleichfalls in den extremen klimatischen
Verhältnissen, den scharf ausgedrückten Gegensätzen in der Naturumgebung
und dem mächtigen Einflufs derselben auf die Gemüthslage des Orientalen
seine Erklärung findet. Gemüth und Geschmack desselben tragen eine un-
abänderliche scharfe Prägung, bergen die gröfsten Gegensätze in sich, und
linden in dem bunten Durcheinander von Eindrücken am liebsten Befriedigung.

Schon die Vorhöfe, deren sich vor den Palästen der Grofsen in
der Regel zwei und mehrere befinden, pflegen dem in Einrichtung und
Unterhaltung zu entsprechen. Sie sind meist alle verschieden und nach
dem letzten hin mit zunehmender Pracht ausgeschmückt, wo sich dem
Eingange gegenüber die Wohnung des Herrn befindet, welche oft mit dem
Erdgeschosse, der Wohnung für die Sklaven, drei bis vier Stockwerke
hoch ist. Entweder auf demselben Hofe neben der Herrenwohnung, oder
auch auf einem besonderen Hofe ihr zur Seite oder hinter ihr im Garten,
durch einen schmalen Gang mit derselben verbunden, ist der Harem be-
legen. Die vorderen Höfe werden gewöhnlich blos von hohen Mauern,
die hinteren von Gebäuden nur mit Fenstern nach dem Hofe hin um-
schlossen, an welchen überdeckte Hallen, oft in doppelten Etagen, Areaden
und Balkone mit zierlichem Schnitz- und vergoldetem Gitterwerk in den
verschiedensten Mustern und Farben — am liebsten weifs, röthlich und
blafsgrün — sich entlang ziehen, die mit Schling- und Kletterpflanzen
mannigfacher Art, besonders mit blauen und rothen Winden, türkischen
Bohnen, Rosen, Clematis, Caprifolium, echtem Jasmin u. in. a. berankt sind.
In der Mitte jedes Hofes pflegt eine Fontaine zu springen, deren Form und
Einfassung mit der übrigen Dekoration auf jedem der Höfe wechselt, wäh-
rend der übrige Raum mit weifsem oder buntem Marmor in den schönsten
Mustern ausgelegt ist, worin Oeffnungen für schattige oder blühende Bäume
und Sträucher — als Wallnufsbaum, Oelbaum, Lotuspflaumenbaum, Zürgel-
baum, Orangenbaum, Feigen- und Granatsträucher, Lorbeer, Cypressen,
von echtem Jasmin durchzogenes Rosen- und Myrtengebüsch u. v. a. —
belassen sind, zu denen sich noch Sommerblumen — als Balsaminen,
Levcojen, Hahnenkamm, Gomphrenen, Tagetes, Mirabilis u. v. a. — gesel-
len um die Oeffnungen ganz zu füllen, oder es wird der offene Kaum mit
glänzendem Metallsand bestreut. Man vergleiche hiermit die folgende
Skizze, Fig. I , eines solchen arabischen Höfchens. Zuweilen sind nur
die den Hof kreuzenden und ringsum führenden Wege mit Marmor

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