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Meyer, Gustav [Hrsg.]
Lehrbuch der schönen Gartenkunst: mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.19763#0084
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IV. Abschnitt.

Ueber die Anordnung öffentlicher Plätze und Promenaden in Städten und über öffentliche Gärten.

Es ist in neuerer Zeit Seitens der Staats- und Communalbehörden
der gartenähnlichen Einrichtung öffentlicher Plätze in Städten und der
Anlegung von Promenaden und Volksgärten mit Recht eine besondere
Aufmerksamkeit zugewandt worden, da sie für die Gesundheitspflege
ein Bedürfnifs und ein Mittel für die sittliche und ästhetische Erzie-
hung des Volkes sind. — Und was könnte auch wohl dem Bewohner
einer grofsen Stadt Angenehmeres geboten werden als die Gelegenheit,
seine kurze Erholungszeit mit den unschuldigen Freuden an der Natur
auszufüllen.

Jeder Kaum daher, welcher den Strafsen und Plätzen einer Stadt
zu öffentlichen Anlagen abgewonnen werden kann ohne den Verkehr zu
beengen, ist als eine Wohlthat für das Gemeinwohl zu betrachten.

Die Form von dergleichen Schmuckplätzen sollte meist regelmäfsig
gehalten und durch die Form des Raumes und die Lage der in den
Platz einmündenden und etwa darüber hinwegführenden Strafsen näher
bestimmt werden, während die gröfsere Einfachheit oder Zierlichkeit,
Pracht oder Bescheidenheit in der Ausschmückung von dem Charakter
der den Platz umgebenden Baulichkeiten abhängig ist. Wenn möglich,
so wird man einige schattige Gänge und Sitzplätze mit dem Blick auf die
schönsten Gebäude oder die Verzierungen des Platzes einrichten. Ist der-
selbe klein, so mufs es genügen mit einer Allee aus kleinen Bäumen ihn
einzufassen; ist er ausgedehnt, so können gröfsere Baumarten gewählt
werden; auch kann es in diesem Falle gebilligt werden mit Alleen den
Platz zu durchkreuzen; jedoch sorge man dafür, dafs die umstehenden
Häuser, wie der Platz selber, Luft und Licht in hinreichendem Mafse
behalten. Auch müssen wo möglich solche Baumarten gewählt werden,
welche frühzeitig austreiben, durch Blüthe sich auszeichnen, keine die
Wege verunreinigende Früchte tragen und im Herbste das Laub lange
behalten. Der innere Raum ist mit Rasen, Zierstrauchgruppen und regel-
mäfsigen Blumenbeeten auszuschmücken, deren Lage und Charakter von
dem Charakter des Platzes überhaupt und insbesondere von der Art und
Aufstellung der Ornamente abhängig ist, welche in Denksäuleu, Spring-
brunnen, Brunnen u. s. w. bestehen können. Als bildlich erläuternde
Beispiele sind auf Taf. XX zwei solcher Plätze dargestellt.

Die öffentlichen Promenaden sollten die Stadt wo möglich
umgürten, um allen Bewohnern und aus allen Thoren leicht zugänglich
zu sein. Da viele Familien sie oft nur in der Absicht aufsuchen, um
im Schatten und in frischer Luft sich Bewegung zu machen, sich mit
anderen Familien hier zu treffen und gesellig zu unterhalten, so ist zu-
nächst Sorge zu tragen für eine Hauptstrafse oder einen breiten, schat-
tigen Hauptweg, welcher eine grofse Anzahl von Spaziergängern auf-
nehmen kann und die Stadt entweder rings umgiebt, oder doch die
Hauptausgänge derselben verbindet. Bei grofsen Städten ist eine Allee
aus vierfachen Baumreihen bestehend, in der Mitte zum Fahren und
Reiten, auf den Seiten zum Gehen eingerichtet, einem unregelmäfsig mit
Bäumen eingefafsten Hauptwege vorzuziehen. Hieran haben sich zu
beidcu Seiten genügend breite und schattige, mit Ruhesitzen beränderte
Nebonwoge in den vom Verkehr und der Lokalität vorgeschriebenen
Richtungen in meist flachen Kurven oder doch ohne alle unnütze Krüm-
mungen, anzuschliefsen.

Meyer, Gartenkunst.

Die Pflanzungen, meist aus edleren Bäumen und Schmucksträuchern
bestehend, müssen leicht, luftig und sorgfältig gehalten und dem Ganzen
der Charakter von Anmuth, Heiterkeit oder Zierlichkeit aufgedrückt sein.
Sehr erwünscht ist es, wenn die angrenzenden Häuserreihen mit kleinen,
von Eisengittern umschlossenen Vorgärtchen versehen werden können, oder
wenn die Gärten villenartiger Gebäude an die Promenaden sich an-
schliefsen und mit ihrem Schmuck die Annehmlichkeit derselben erhöhen,
in welchem Falle man auf eine Uebereinstiinmung solcher Theile der
Promenaden mit den angrenzenden Gärten zu rücksichtigen hat. Dafs man
dagegen alle unschönen Gegenstände durch Pflanzungen sorgfältigst zu
verdecken habe, ist eine Regel, welche bei jeder Art von Verschönerung,
hier aber besonders strenge, zu befolgen ist.

Die Volksgärten bei grofsen Städten haben in noch ausgedehn-
terem Mafse als die Promenaden Gelegenheit zur Bewegung, zum Genufs
des Freien, zur geselligen Unterhaltung und zur Erholung von den täg-
lichen Geschäften zu bieten; sie müssen daher eine durchaus gesunde
Lage, bequeme stets trockene Wege *) und hinreichend Schatten haben
und durch anmuthige Natur zu dem Besuche einladen. Ebenso eignet
sich für sie nur ein freundlicher, mehr in Gröfse und Freiheit, als
in Zierlichkeit und Abgeschlossenheit bestehender Charakter und daher
mehr die Hainpflanzung, als das dichte Gebüsch, mehr das ein-
heimische, als exotische Gehölz, was jedoch nicht aussehliefst, dafs
eine besondere Partie für exotische Pflanzen eingerichtet oder ein bo-
tanischer Garten mit demselben verbunden werde. Bietet sich, wie es
im »Thiergarten« bei Berlin, und im »Boulogner Gehölz« bei Paris der
Fall war, ein Waldbestand zur Einrichtung eines Volksgartens dar,
wo es nur der Forträumung eines Theiles des Unterholzes bedarf , um
die herrlichsten Haine hervorzuzaubern, so gehört dieser Umstand zu
den seltneren und glücklicheren Fällen für solche Gärten; denn der-
gleichen schattenreiche, naturwüchsige Haine sind selten in solcher
Kraftfülle, und jedenfalls erst im Verlaufe vieler Jahre, durch die Kunst
herzustellen.

Monumente, welche Männern von Verdienst um den Staat, die Stadt,
die Wissenschaft oder Kunst errichtet werden, finden in den Ilainen
von Volksgärten eine meist schicklichere Stelle, als in der Stadt selber,
da man sie dort mit mehr Mufse betrachtet, auch der Mensch für das
Edle und Grofse, zu welchem dergleichen Denkmäler anregen sollen,
in der freien Natur zugänglicher ist, als im geräuschvollen Treiben der
Stadt.

Für mannigfaltige Annehmlichkeiten und Unterhaltungen im Freien
mufs möglichst gesorgt werden; es können z. B. eine Rennbahn, ein
Turnplatz und ein Platz zum Ballspiel an den Volksgarten sich an-
schliefsen; es mögen Gewässer, zum Theil von steilen mit Nadelholz
besetzten Ufern eingeschlossen, im Sommer zu Wasserfahrten in zier-
lichen Gondeln, im Winter zum Schlittschuhlaufen einladen, mit einer

*) Auf die gehörige Breite und Befestigung der Woge, so dass sie zu jeder Jahres-
zeit benutzt werden können, ist besondere Rücksicht zu nehmen. Bei grösseren Städten
wird man selbst die schmaleren l'usswege in den öffentlichen Gürten nicht unter 7
Meter breit anlegen dürfen; für besondars starck besuchte Fusswege ist zuweilen eine
Breite von 11 bis 12 Meter nothwendig.

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