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Meyer, Gustav [Hrsg.]
Lehrbuch der schönen Gartenkunst: mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.19763#0074
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II. Abschnitt.

Von der allgemeinen Anordnung der wesentlichsten Bestandteile eines verschönerten Landsitzes.

a. Von der Lage des Wohngebäudes.

Bei der Auswahl des Bauplatzes für das Wohngebäude sind eine
bequeme, gesunde und von Natur angenehme Lage und das Vorhanden-
sein guten Trinkwassers entscheidend*).

Wenn möglich, so sollte sich das Wohngebäude gegen Südwest an
einen Wald lehnen, um von vornherein gegen die häutigen Südweststürme
gut geschützt zu sein. Wie man bei einer Villa, die man eben nur wäh-
rend der schöneren Jahreszeit bewohnt, weniger streng auf eine bequeme
und geschützte Lage, sondern mehr auf schöne Aussicht und freie, Lage
siebt, ist es bei einem festen Wohnsitz fast umgekehrt; .denn man opfert
nicht gern eine für die längere Jahreszeit geschützte und bequeme Lage
einer nur kurze Zeit zu geniefsenden schöneren und zieht es vor, lieber
in einem gesunden, fruchtbaren und geschütztenThale zu wohnen, als auf
Anhöhen, die zwar weite .Aussichten, aber wenig Wohnliches darbieten.
Dergleichen Höhen können, sind solche in der Nähe vorhanden, vorteil-
hafter mit Parkbaulichkeiten besetzt werden.

Der Platz für das Wohngebäude mufs grofs genug sein, um die not-
wendigen Nebengebäude, Stallungen u. s. w. bequem placiren und von
dem Wobngebäude aus ganz oder theilweise verbergen und mit bequemen
Wegen verbinden zu können; ebenso mufs Kaum und geeignete Lage fin-
den in der Nähe anzubringenden Küchengarten sein.

Die beste Lage der Hauptfronte ist gegen Süden oder Südosten;
denn im Sommer stellt die Sonne zu hoch, als dafs ihre Strahlen weit in
die Zimmer hineinreichten und sie lästig erwärmten, und in den übrigen
Jahreszeiten ist die volle Wirkung ihrer Strahlen nur wohlthätig. Die
Nord- und Ostseite ist im Winter zu kalt ; die West- und Südwestseite
ist den Stürmen und häufigen, die Fenster trübenden, Regenschauern aus-
gesetzt;. auch belästigen an heiteren'Tagen die blendenden Strahlen der
Abendsonne gar sehr. <

Wenn möglich, so gebe man dem Hause durch Anbringung einer
Terrasse eine etwas erhöhte Lage, sodafs es möglich ist die Haupt-
zimmer zu ebener Erde anzulegen, und beenge nicht den Raum vor der
Hauptfacade durch die Vorfahrt, sondern lege solche vor die Hinterfront
des Gebäudes. Weite Aussichten sind nach Nord, West und Südwest in
der Regel nicht zu öffnen; vielmehr erfordern diese Seiten Schutz durch
Pflanzung. Man placire ferner die Nebengebäude nach der Hinterseite des
Hauses, die. Ställe und Reitbahn ihnen nahe und den Küchengarten im
Anschlufs an die Ställe, um die Schutzpflanzungen für das Wohnhaus zu-
gleich zur Deckung dieser Gebäude und zum Schutz des Küchengartens und
des an denselben etwa sicli anschliefsenden Obstgartens benutzen zu könnet!.

Den Pleasureground breite man hauptsächlich zur Rechten und Lin-
ken des Wohngebäudes aus, und lasse

den Park das Ganze umschlicfsen, hauptsächlich aber vor der llaupt-
front der Wohnung sich ausdehnen.

*) Hei städtischen und Vorstadt-Wohnungen kann oft die Nähe gewisser ge-
werblicher Anstalten höchst lästig werden, weshalb man sich hier zunächst des Nicht-
entstehens solcher lästigen Nachbarschaft möglichst zu vergewissern hat, bevor man sich
für die Niederlassung entscheidet.

Alle andere ökonomische Einrichtungen , als Baumschulen, Meie-
rei u. s. w., nach welchen weniger ein unmittelbarer Verkehr von der
Wohnung aus stattfindet, lege man noch weiter hinter das Haus oder
sehliefse sie gänzlich von dem Park aus; verbinde sie aber mit diesem
durch feste und trockene Wege und parkartige Anpflanzungen. Eber als
ein Vorwerk mit seinem offenen Boden kann eine Milchmeierei mit ihren
durch wilde Hecken und Baumgruppen abgetheilten grünen Weideflächen,
mit einigen zwar einfachen aber, doch netten Baulichkeiten, Heuschobern
und Strohschuppen in einiger Entfernung hinter dem Hause im Park einen
Platz finden und zu einem angenehmen Gegenstand werden, zumal wenn
der Park selber durch Lage und sonstige Beschaffenheit nicht hinreichende
Abwechselung darbieten sollte.

1). Vom Pleasureground. Blumengarten. Rosarium.
Wintergarten.

Die Römer nannten die verschiedenen, regelmäfsig eingerichte-
ten Abtheilungen ihrer Anpflanzungen um die Villen horti (Gärten),
die Engländer nennen dagegen die verschiedenen Abtheilungen des im
natürlichen Style verschönerten Grund und Bodens ihres Landsitzes
nicht ebenfalls gardens (Gärten), sondern grounds (Äbtheilungen oder
Bezirke natürlichen Grund und Bodens), und diejenige Abtheilung, welche
das Wohnhaus umgiebt, mit einem Eisengitter oder sonstwie von dem Park
und von den übrigen .zugleich dem Nutzen dienenden Abtheilungen abge-
schlossen und lediglich zum Vergnügen der Familie bestimmt ist, Plea-
sure-ground (Lustgebiet), nicht aber Pleasure-garden (Lustgarten) oder
ornamental Garden (Ziergarten), weil man unter letzterem eine geome-
trische Einrichtung verstehen würde. Mit dem Worte Pleasure-ground *)
wird daher im Gegensatze zu einem Pleasure-garden ausgedrückt, dafs die
Fintheilung und ganze Bearbeitung, wie bei den übrigen Bezirken (grounds)
des Landsitzes, im Allgemeinen unregelmäfsig sei.

Der Pleasureground bedingt dcfshalb, dafs er im Grofsen und Gan-
zen im natürlichen Style, mit einein anmuthigen sanften Linienspiel im
Grund und Boden, gehalten sei, und mehr zusammenhängende, als von
jähen Schluchten unterbrochene Grasfiäehen darbiete; er bedingt ferner,
dafs den Vergnügungen und Zerstreuungen der Familie darin Rechnung
getragen sei, wefshalb er, wie Pepton bemerkt, so viele Äbtheilungen ent-

*) Wollen wir Deutsche für das englische Wort Pleasureground ein deutsches
gebrauchen, welches den Begriff des englischen genau wieder giebt, so kann es nur, wie
bereits In der ersten Abtheilung dieser Schrift an dem geeigneten Orte bemerkt, das
Wort »Lustgebiet«, oder auch wohl »Schmuckgebiet« oder »Schmuckraum«, und im Falle
ein eigentlicher Park oder andere wilde Abtheilungen sich nicht daran anschliefsen,
»englischer Garten« sein. Wir erinnern hier an den »englischen Garten« zu München,
welcher weder Park, noch einfach Garten, noch Lustgarten zu nennen sein würde.

Für denjenigen Theil des Pleasoureground's, welcher besonders reich mit Blu-
men geschmückt ist, ohne ein eigentlicher Blumengarten zu sein, und welchen deutsche
Gartenschriftsteller vorgeschlagen haben »Blumenpark« zu nennen, habe ich in keinem
englischen Gartenwerke einen besonderen Ausdruck gefunden; die Engländer würden
ihn aber, weil im Pleasureground und nicht im Park belegen, nicht »flowerpark« (Blu-
menpark), sondern »flowerground, flower-plain oder flower-region« (Blumengebiet. Blumen-
abtbeilung oder Blumengelilde) nennen. —
 
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