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Meyer, Gustav [Hrsg.]
Lehrbuch der schönen Gartenkunst: mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.19763#0035
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Der englische Gartenstyl.

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Lord Bacon's Bemerkungen und Vorschläge für die Gärten fanden
indessen zur Zeit noch keinen empfänglichen Boden und verhinderten
nicht, dafs die französische Gartenkunst noch ihre eigentliche Glanzpe-
riode in Lenötre feierte, und selbst König Karl H. von England den
französischen Gärtenkünstler mit der Ausführung einiger seiner Gärten
betraute. Es wirkten die Baconscheu Ideen und Vorschläge, wie Mil-
ton's meisterhafte Schilderung des verlorenen Paradieses (»The Para-
dise lost« 1667), nur vorbereitend, bis der grofse Gedanke einer Um-
gestaltung der Gartenkunst zwei der genialsten Männer Englands, Ad-
dison (1672 zu Milston in Wiltshire geb., 1719 gest.) und Pope
(1688 zu London geb., 1744 gest.) erfüllte, die gleichzeitig und mit
gleich erfolgreichen Waffen den alten Geschmack bekämpften und auf
ihren kleinen Besitzungen — der Erstere zu Bicton, der Letztere zu
Twickenham — ihre Ideen für die neue Gartenkunst verwirklichten.

Addison macht, indem er (im 414. Stück seines »Spectator« 1712)
die wahren Vergnügungen der Einbildungskraft aufzeigt, zugleich be-
merklich, wie mangelhaft die Werke der Kunst zu denen der Natur sind,
welche durch Weite und Unermefsliehkeit sieh auszeichnen, und hier-
durch, wie durch das Kühne und Meisterhafte in ihren rauhen, sorglosen
Zügen dem Geiste so grofses Vergnügen gewähren, während die engen
Grenzen und die symmetrische Anordnung des stattlichsten Palastgartens
sehr bald überschaut werden und die Einbildungskraft unbefriedigt lassen.
Daher reize ein weitgesteckter Boden mit einer anmuthigen Vermischung
von Garten und Wald bedeckt mehr, als die gewöhnliehe Zierlichkeit in
den Lustgärten, und warum sollte nicht ein ganzes Feld in eine Art von
Garten durch häufiges Anpflanzen von Bäumen umgewandelt werden, das
dein Besitzer ebenso viel Nutzen wie Vergnügen gewähren könne. Hier-
mit will er zugleich die engen Grenzen des Gartens überschritten, und
die Anpflanzungen auf die Aecker ausgedehnt wissen. Er giebt sodann
(im 47 7. Stück desselben Blattes) die Beschreibung seines Gartens, den
er eine Verwirrung von einem Küchengarten und Grasplatze, von einein
Baumgarten und Blumengarten nennt, die so vermischt untereinander
liegen, dafs ein Fremder ihn als eine natürliche Wildnifs ansehen würde.
Die Blumen, welche er nicht nach ihrer Seltenheit, sondern nach ihrer
Schönheit sehätzt — sodafs er diejenigen Feldblumen, welche ihm beson-
ders gefielen, in den Garten verpflanzte — schössen in gröfster Ueppig-
keit, Fülle und Farbenpracht an verschiedenen Stellen des Gartens auf,
und die einzige Ordnung, welche er hierbei beobachtete, bestand in der
Vereinigung derselben nach ihrer Blüthezeit, damit zu jeder Zeit ein Ge-
mälde gröfserer Mannigfaltigkeit entstehe. Dieselbe Unregelmäfsigkeit fand
sieh in seinen Pflanzungen, die in solcher Wildheit aufschössen, als es
deren Natur erlaubte, und so mannigfach wechselten, dafs — wie er
sagt — es ihn beim Durchwandeln stets ergötzte nicht bestimmen zu
können, ob der nächste Baum ein Apfelbaum, eine Eiche, eine Ulme,
oder ein Birnbaum sei. Auch der Küchengarten hatte seine besonderen
Abtheilungen, der ihn in seiner Vollkommenheit mehr erfreute, als die
feinste Orangerie oder das Treibhaus mit seinen unvollkommenen Pflanzen
fremder Gegenden. Eine Quelle, welche im oberen Theüe des Gartens
entsprang, bildete ein kleines Bächelchen, welches in natürlichen Windun-
gen so geleitet war, dafs es die meisten Pflanzen besuchte, und zwischen
Ufern wie im offenen Felde flofs, die mit Violen und Schlüsselblumen,
Weiden und anderen von selbst aufsprossenden Pflanzen bewachsen waren.

Was Addison durch solche Vorschriften, das bewirkte Pope (173.
Stück des Guardian) durch seinen feinen Spott über die alte Manier,
nach welcher »Grove nods at grove, each alley has a brother,
And half the platl'orin just rellects the other,«

wie durch die Aufstellung richtiger Grundsätze für die Kunst und durch
den Hinweis auf die Notwendigkeit des Studiums der Natur (Brief über
den falschen Geschmack an Lord Burlington, 1716). Er selbst hatte
nach diesen Grundsätzen bereits 1716 seinen einige Morgen grofsen Gar-
ten in Twickenham, wobei auch ein wellenförmiger Boden ausgeführt
wurde, angelegt.

Mit der Aufstellung von festen Grundsätzen in Verbindung mit der
Anlegung dieser beiden kleinen Gärten war nun zwar die neue Richtung
der Gartenkunst angebahnt; diese aber würde wahrscheinlich noch nicht
viele Anhänger und allgemeine Verbreitung gefunden haben, wenn nicht
ein genialer Zeitgenosse Pope's, der Architektur- und Landschaftsmaler
Kent (1685 zu Yorkshire geb., 1748 zu London gest.), die Grundsätze

malerisc her Composition mit seinen Talenten auch auf die Garteukunst
übertragen, und durch besonders gelungene malerische Effekte in greiseren
Gärten den Vorzug des neuen Styles dargethan hätte. Sein erstes Werk
der Art war (nach Price) der Garten zu Stowe; hieran schlössen sich
(nach Loudon) die Parks von Claremont und Esher (1725—17 35 an-
gelegt) ; sein gelungenstes Werk war (nach Hirschfeld) der dein General
Dormer gehörige Park Rousham. Die Gartenmauern, welche den Blick
nach aufsen und die natürliche Verbindung des Gartens mit der Um-
gebung hinderten, wurden theils niedergerissen, theils weit durchbiochen
und mit Haha's versehen; Bäche und Gewässer aller Art erhielten einen
natürlich gekrümmten Lauf und natürliche Ufer; die Anhöhen winden
mit Gebüschen und Bäumen malerisch besetzt; die Wellenlinie im Grund
und Boden und in den Wegezügen anstatt der geradeu Linie angewandt:
Haine wurden durch angebrachte alte Baumstämme oder entsprechende
Gebäude in ihrem Charakter verstärkt, geschmückt und belebt, und weite
Aussichten vom Wohnhause und von verschiedenen Punkten des Garten,,
aus über wohlunterhaltenen Grund und Boden aufserhalb des Gartens er-
öffnet. Price, welcher über die meisten Gartenkünstler jener Zeit den
Stab bricht, ist gegen Kent in soweit gerecht, als er ihm das nicht ge-
ringe Verdienst der Ausbreitung des neuen Styles zugesteht.

Als der nächste Gartenkünstler von einigem Rufe nach Kent wird
uns (von Hirschfeldt) Henry Englefield genannt.

Mehrere der wohlhabenden, mit malerischem Sinn begabten Lords
versuchten hierauf selber, und zwar mit gutem Erfolge, die Verschönerung
ihrer Besitzungen in diesem Style. Aufser Lord Cobham, den Kent
bei der Anlage seines Gartens zu Stowe mit Rathschlägen unterstützte,
werden uns von Mason die Lords Southcote, der sein Woburn,
Charles Hamilton, der sein Painshill, Lord Lyt tieton, der sein
Hagley, Pitt, der sein Southlodge auf Enfieldchace verschönerte, und
Shenstone und Morris genannt, welche Letztere ihre Besitzungen bis
zum Jahre 1750 verschönert hatten. Die Harmonie des Innern des Par-
kes mit der äufseren Landschaft und die Behandlung des Ganzen nach
den Grundsätzen der Malerkunst wurde besonders von Kent, von Shenstone
(welcher 1764 die »Unconnected thoughts« über die neuere Gartenkunst
schrieb) und von Hamilton mit vielen Glück durchgeführt.

Mit der enthusiastischen Aufnahme dieses Styles, wie bei dem überall
regen Verlangen seine Besitzung nach den Grundsätzen der neuen Gar-
tenkunst zu verschönern, stieg auch die Nachfrage nach ausübenden Qsrr
tenkünstlern, von denen der erste von allgemeinem Rufe Wright h

Ihm folgte der berühmte Brown, welcher bis zum Jahre 1750 in
Diensten des Lord Cobham zu Stowe Obergärtner, und bei der Umwand-
lung des Gartens unter Kent thätig war. Der Lord empfahl ihn hierauf
an den Herzog von Grafton, dem er in Wakefield-Lodge einen gro-
fsen See*) anlegte, und verschaffte ihm hierauf einen königlichen Dienst
in Hamptoncourt und Windsor. Brown besafs kein malerisches Talent,
weshalb auch seinen Werken malerische Schönheit fehlte, die er durch
den Ausdruck von Gröfse zu ersetzen strebte, wobei er indefs wieder in
den Fohler des Oeden und Leeren verfiel. Er hat seinen Ruf fast aus-
schliefslich den Empfehlungen Lord Cobham's und den Zeitverhältnissen
zu danken, wo eine förmliche Verschönerungssucht eingerissen und dabei
Mangel an tüchtigen Künstlern war. Auch konnte er, wie Loudon und
Andere uns berichten, nicht zeichnen, sondern liefs die Entwürfe von be-
gabten jungen Künstlern nach seinen oberflächlichen Angaben ausarbeiten.
Es mangelte ihm daher eine der wesentlichsten Eigenschaften des Land-
schaftsgärtners, die Fertigkeit im Zeichnen. Das schärfste und vielleicht
richtigste (Jrtheil über seine Capacität und seinen Charakter gieut uns
Price**), indem er sagt: »Ich war niemals in Gesellschaft mit Mr. Brown,
noch kannte ich ihn von Angesicht, und kann daher kein persönliches
Mifsfallen an ihm haben; ich habe aber zahlreiche Beispiele seines Dün-
kels und Despotismus gehört, und solche hohe Anmafsungen scheinen mir
durch seine Werke wenig entschuldigt. Arrogance und herrschsüchtige
Manieren, welche, wenn auch mit wirklichem Verdienste und den glän-
zendsten Talenten vereinigt, Ekel und Opposition erregen, erzeugen, wenn

*) Dieser See hat. wie London bemerkt, den Orund zum Kufe und dein Ver-
mögen Rrown's gelegt.

'''■*) In seinem u Essay on the Picturesque«.
 
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