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Meyer, Gustav [Hrsg.]
Lehrbuch der schönen Gartenkunst: mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.19763#0086
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V. Abschnitt.

Von malerischer Anordnimg oder Gruppirung im Einzelnen.

Obgleich die Gesetze, wonach die Natur schafft, überall und stets
dieselben sind, so sind doch die Bildungen, in denen sie sich verwirk-
lichten, unendlich verschieden je nach der Beschaffenheit des Stoffes und
nach der Verschiedenheit der Umstände, unter denen sie sich bethätigten.
Ueberall aber, wenn wir uns den Bezirk nicht zu eng abstecken, giebt
sich jene Gesetzmäfsigkeit offenbar in der Übereinstimmung vieler Bil-
dungen zu irgend einem bestimmten Charakter zu erkennen, zu dem nicht
jeder beliebige Zusatz pafst. Eine gründliche Bekanntschaft mit den ver-
schiedenen charakteristischen Bildungen der Natur und ihren Wirkungen
auf das Gemiith ist daher, um stets das Schickliche oder Passendste für
die Lokalität zu ermitteln, unumgänglich nothwendig. Dieses Studium
durch einige Winke zu unterstützen und auf einige der nachahmungs-
wertheren charakteristischen Bildungen der Natur und ihre Grundbedin-
gungen im Grofsen und Einzelnen aufmerksam zu machen und näher zu
verfolgen, ist in diesem Abschnitte zur Aufgabe gestellt.

Wie die Natur in den verschiedenen Zonen durch den aus der
Verschiedenheit des Klima, der Pflanzendecke, der animalischen Bele-
bung und aus der grüfseren oder geringeren Durchsichtigkeit der Atmos-
phäre entspringenden Charakter mächtig verschieden auf das Gemiith
einwirkt und durch das dadurch erregte Wohlgefallen oder Mifsbehagen
unsere physische und moralische Kraft und intellectuelle Thätigkeit er-
höht oder herabstimmt, so wirkt sie auch in den einzelnen Theilen oder
Landstrichen innerhalb einer Zone durch die mannigfachen Verbindungen
und Verhältnisse in den einzelnen Bestandteilen des Grund und Bodens,
der Pflanzendecke und der Vertheilung des Wassers wiederum unendlich
verschieden.

Jede solcher Gegenden , welche einen bestimmten ästhetischen Cha-
rakter-zeigt und eine besondere Art der Stimmung des Gemüthes hervor-
ruft , nennen wir, ob von einer grofseren oder geringeren Ausdehnung,
ob von einem Standpunkte aus bequem zu übersehen oder viele Meilen
sich ausdehnend, eine Landschaft.

Dieser ästhetische Charakter kann entweder begründet sein in dem
gleichmäfsigen Zusammenwirken der Bodenform, der Pflanzendecke, der
Gröfse, Art und Vertheilung des Gewässers, der Belebung durch Thiere
und durch Werke menschlicher Kultur, oder er kann auch durch die
vorwiegende Bedeutung des einen oder des anderen dieser Bestandteile
bestimmt werden; jedoch bildet

a. Der Grund und Boden

als der Schofs alles Lebens, als Unterlage und Vorbedingung des Uebrigen
den Grundoharakter des Ganzen. M

Es stellen sich in der Bodenoberfläche zunächst zwei Grundformen
dar: das Emporgerichtete oder Berge und Hügel*) und das
Horizontale oder die Ebene.

*) Ob diese oder jene Erhöhung der Erdoberfläche Berg oder Hügel genannt
werden müsse, wird nicht durch die Höhe, welche sehr relativ ist, allein entschieden,
sondern besonders dadurch, ob ihre Abhänge sehr steil oder wenig von dem Horizon-
talen abweichend sind. Im ersten Falle nennen wir die Erhöhung Berg, Gebirge; im
anderen Falle Hügel, üehügel, Hügelkette, jenaehdem einzelne Berge oder Hügel vor-
handen sind oder mehrere ein zusammenhängendes System bilden.

Die emporgerichteten Erdformen sind vorzüglich durch Hebung oder
Bewegung aus dem Innern der Erde oder auch durch die Arbeit des
Wassers entstanden. Die Formen ersterer Entstellungsart zeichnen sich
durch Kühnheit, Schroffheit und das Eckige ihres Umrisses, die letzterer
Art durch sanftere, ruhigere abgerundete Formen und sanfte Schwin-
gungen aus. Beide wirken aufser durch ihre von einander abweichende
Form noch dadurch verschieden, dafs sie mit derselben auf die ver-
schiedene Ursache ihrer Entstehung führen. Die ersteren nemlich sind
mehr ernst oder je nach dem Grade der Milderung ihres Charakters
durch Verwitterung und frische üppige Pflaiizenbekleidung pittoresk; die
letzteren sind mehr anmuthig und lieblich.

Zu den schroffen, steilen Formen der Gebirge stimmt das Nadel-
holz ; zu den sanfteren und milderen Formen das Laubholz. Die edelste
und befriedigendste Form der Gebirge entsteht da, wo das Schroffe,
Eckige und Wilde mit dem Sanften, Geschwungenen und Flachen in un-
mittelbare Verbindung tritt; wenn Einstürze und Verwitterung die schroffen,
eckigen und drohenden Massen etwas gemildert, oder das Wasser in den
weicheren Formen durch Auswaschung von Spalten, Bloslegung von Felsen
und Bildung enger Schluchten sich wirksam erwiesen hat. Alle diese
Formen werden durch eine reiche Bekleidung mit Wald gehoben.

Es ist eine eigentümliche, für die künstliche Bildung hüglichten
Terrains hervorzuhebende Erscheinung, dafs fast an allen Bergen, vor-
züglich aber an ganzen Gebirgen, die eine, der Ebene unterhalb des
Gebirges oder den tiefen Meeres- oder Landesthälern zugekehrte Seite
steiler ist, als die andere; eine Erscheinung, welche sich selbst in den
kleinen Ilügclbildnngen zeigt und bei letzteren meist als eine Wirkung
früherer Meeres- oder anderer gewaltiger Strömungen zu erklären ist.

Eine vor den übrigen durch gröfsere Höhe sicli auszeichnende Er-
hebung — sei solche ein ganzer Höhenzug oder ein einzelner Kücken —
ist einem Gebirge und einer Hügelkette natürlich und für die ästhetische
Wirkung im Profile besonders günstig; gröfsere Senkungen und Erhe-
bungen in der Gipfellinie, ungleiche Weiten derselben und mannigfache
Einschwingungen der Theile in eine allgemeine mehr fliefsende, als plötz-
lich und oft unterbrochene Linie gegen den Horizont, und ein gutes Ver-
hältnifs der Theile zu einander, geben Gebirgen und Anhöhen überhaupt
edle Form. Ohne einen solchen höchsten Punkt entsteht Verwirrung;
gleichmäfsig fortlaufende Linien, plumpe Formen und blofse Kegel ohne
Nebenhügel, sowie groteske Formen, wirken unschön.

Die Wirkung des inneren Gebietes des Gebirges ist von einem
glücklichen Wechsel der Höhen und der Gebirgsthäler abhängig. Die
ersteren bieten weite Gegenden beherrschende Standpunkte dar und er-
freuen hierdurch, wie sie uns andererseits durch reinere Luft neu be-
leben, Herz und Sinn erweitern und uns über die Sorgen des täglichen
Lebens erheben; während letztere durch ihren verwickelten Lauf, durch
die Wirkung von Licht und Schatten, durch Aufdeckung eines Theiles
des Innern des Gebirges und durch die bildende und belebende Thätig-
keit des Wassers und durch frisches Grün zur Durchstreifung des Innern
einladen und ergötzen.

Besonders wild, von zerklüfteten steilen Felsen eingefafst und mit
vielen lärmenden Wasserfällen und umgestürzten Felsblöcken versehen

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