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Die Bauinschrift. Baugeschichte.

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gestaltet. Aus ihren Schultern wachsen schön geschwungene Flügel heraus, ihre Leiber
gehen in schlanke Akanthusblätter und in Ranken aus, deren Blüthcnkclchcn wiederum
weibliche Halbfiguren entspriefsen, und ihre Fischschwänze endigen in Masken, die sich
zwei auf den Schuppen fufsenden Adlern zuwenden (Abb. 71).
Echt oberitalienisch ist diese ganze formenfreudige, malerische, geistvoll-bizarre
Composition; echt oberitalienisch die feine Ausführung: es ist ein Meisterwerk im Stil eines
Hauptvertreters der lombardischen Renaissance, des Tommaso Rodari, dessen Name am
Ende der Inschrift selbst genannt ist: „THOMAS . DE . RODARIIS . FACIEBAT.“ Allein
nicht etwa — wie man gemeint hat — als die Künstlersignatur dieser ornamentalen Tafel
selbst! Nicht in winzigen Buchstaben in einer Ecke ist der Künstlername der Inschrift

Abb. 71. Inschrifttafcl am Dom zu Como.


gesellt, sondern in gleich grofsen Majuskeln, als eine selbständige Zeile, formal wie inhalt-
lich mit ihr untrennbar verbunden. Und diese Hauptinschrift selbst lautet:
„Cum hoc templum vetustate confcctum esset, a populo Comensi renovari ceptum
cst MCCCXXXXVI. Hujus vero posterioris partis jacta sunt fundamenta MDXIII. XXII de-
cembris, frontis et laterum jam operc perfecto.* 1)
Mannigfache Perspectiven eröffnen diese Worte der kunsthistorischen Betrachtung.
Auf den vom Volk beschlossenen Umbau einer frühmittelalterlichen Kirche, welcher 1396,
ein Decennium nach dem Mailänder Dom, gleichzeitig mit der Certosa von Pavia, also in
der „gothischen“ Epoche der oberitalienischen Architektur, begonnen worden war, folgt
mehr als ein Jahrhundert später, im beginnenden Cinquecento, der Anbau eines Chores,

della Cattedrale di Como. Como 1821. Barelli, Notizie storiche sulla cattedrale di Como. Como 1857
und G. von Bezold, Der Dom von Como im „Wochenblatte für Baukundc“. VII. 1885. S. 173ff. u. S. 181 ff.
Material ferner in den Schriften der Socictä Storica comense. Die von A. Fustinoni in Como edirten
Abbildungen sind stilistisch gänzlich werthlos.
1) Ueber die verschiedenen bisherigen Deutungen dieser Inschrift vergl. Monti, a. a. O. S. 14t.
 
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