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Giuniforte Solari. Verhältnifs zum lombardischen Backsteinbau. 133
da Campione noch den Beginn des ganzen Werkes überwacht — dieser war das Kind
einer neuen Zeit, die ihre Anregung schon völlig aus dem Born der Renaissance schöpfte.
Der Sieg blieb selbstverständlich dem jüngeren Meister, und das war, falls wirklich der
ursprüngliche Plan der Certosakirche dem des Mailänder Domes näher verwandt gewesen
sein sollte,1) zugleich ein Triumph der nationalen lombardischen Bauweise. Auf diese,
nicht aber auf nordische Gothik, geht das breite, geräumige Querschiff, die Vierung und
die Choranlage zurück, auf diese auch die Decoration in Backstein und buntfarbigen Terra-
cotten mit Hinzuziehung von hellen Hausteintheilen: beide aber erhalten ihre Gestaltung
erst in der Renaissance, erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts! — Die bauge-
schichtlichen Analogien für die östlichen Partien (Taf. 10) bietet auch hier der lom-
bardische Boden selbst. Bis in die romanische Zeit lassen sich dieselben zurückverfolgen.
Die halbkreisförmigen Abschlüsse der Querarme und des Chores, die Vierungskuppel mit


Abb. 79. Certosa bei Pavia. Blick auf die Vierung vom „kleinen“ Kreuzgang aus.

ihren vorgekragten Bögen, und die Zwcrggalerien bezeugen dies hinreichend. Zur Erklärung
des Planschemas könnte hier allein schon der Hinweis auf die Kathedrale von Parma
genügen. Für die Anordnung von Zwerg- und Säulengalerien bot Pavia selbst und seine
Umgebung zahlreiche Vorbilder, von denen beispielsweise die altehrwürdigen Kirchen
S. Pietro in Cielo d’ oro und S. Lazzaro sogar auch die Anordnung dieser Säulenarcaden
auf emporsteigenden Stufengiebeln zeigen, und die Vierungskuppel findet sich ähnlich unter
anderm in den Kathedralen von Vercelli und Piacenza, sowie an der Cisterzienserkirche
von Chiaravalle, welcher auch das Aeufsere des Vierungsthurmes so nahe bleibt (Abb. 1).
Die Decoration dagegen ist die der lombardischen Terracottaplastik des 15. Jahrhunderts, die
im Innern wiederum eine venezianische Nüancirung empfängt. Die Aufsenmauern des
Chores zeigen einen echt lombardischen Backsteinbau. Aber Gothisches haben sie nicht
mehr, weder in ihrem Gesamtcharakter noch in ihren Details. Ucberall tritt die lom-
bardische Schulung hervor. Der specifisch kirchliche Charakter fehlt. Einen schroffen,
fast feindlichen Abschlufs gegen die Aufsenwelt bilden diese starken, wenig gegliederten
Backsteinmauern, denen die mächtigen, noch über die Höhe des Querschiffes hinaus empor-

1) Vergl. Beltrami, a. a. O. S. 70 f.
 
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