Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Einleitung.

,,Et de ce que contient ceste duche, ie ne veis iamais
plus belle piece de terre, ne de plus grande valleur.“
Philippe de Commines. 1478.

uf die Vorstufen und Uebergangsformen, die im ersten Band erörtert
wurden, folgt in der hier zu schildernden Denkmälerreihe die Blüthe der
national-lombardischen Frührenaissance. Scharfe Grenzen weist dieser stilistische
Entwickelungsgang naturgemäfs nicht auf. Wie bei der Florentiner Frührenais-
sance eines Brunelleschi und Alberti, so handelt es sich auch in der Lombardei
zunächst „nicht um eine neue Compositionsweise im Grofsen, sondern um eine neue Aus-
drucksweise im Einzelnen“. Hat doch die Renaissance bei der Mehrzahl der hier vereinten
Bauten äufserlich überhaupt nur das im Mittelalter begonnene Werk vollendet, ausgestaltet
oder umgebildet! Wo sie ganz selbständig schaffen durfte, herrscht freilich weit deut-
licher eine neue Kunstsprache; aber deren geschichtlich mafsgebende Eigenart läfst sich
in der Lombardei weder aus einigen wenigen ,,Schöpfungsbauten“ noch aus dem Wirken
etlicher Hauptmeister allein genügend ableiten. Es ist ein Stilbild von gröfster Mannig-
faltigkeit, dessen Theile sich nur allmählich aus zahlreichen Einzelbeobachtungen ergeben
und ihren kennzeichnenden Werth erst bei dem Vergleich gröfserer Denkmälerreihen
offenbaren.
Um so mehr empfiehlt sich auch hier, wie im ersten Bande, die monographische
Darstellung. Die zusammenfassende Charakteristik der lombardischen Frührenaissance im
Sinne einer geschichtlichen „Stillehre“ kann daher erst den Abschlufs der ganzen Arbeit
bilden, und da jedes einzelne Capitel seine eigene Einleitung fordert, wird eine allgemeine
kunsthistorische Einführung an dieser Stelle entbehrlich.
Auch die politische Geschichte Mailands während dieser Jahrzehnte ist durch
ihre universalhistorische Bedeutung und durch ihren verhängnifsvollen Einflufs auf das
Schicksal ganz Italiens so bekannt, dafs ihre Schilderung hier kaum angebracht wäre.
Ohnehin kennzeichnet sie für unser Stoffgebiet nur den weiteren Hintergrund, denn gerade
die stilbildenden Kräfte einer nationalen Kunst sind von den äufseren politischen Verhält-
nissen viel unabhängiger, als die hergebrachte Art kunstgeschichtlicher Darstellung glauben
macht. Nur die Persönlichkeiten der Machthaber, welche in diesen Zeitläuften natur-
gemäfs im Mittelpunkte des Mailänder Kunstlebens stehen, verlangen hier eine knappe
Charakteristik, die sich jedoch ebenfalls auf ihre Beziehung zum künstlerischen Schaffen
zu beschränken hat.
Für diesen Standpunkt treten dieselben sämtlich in ein günstigeres Licht, als die
politische Geschichtsschreibung und vollends die moralische Werthschätzung zuläfst. Das
gilt in gewissem Sinne sogar schon für den Nachfolger Francesco Sforzas, für seinen
ältesten Sohn Galeazzo Maria, den der Historiker als eine Tyrannennatur vom Schlage
der Bernabö Visconti auffafst.


Meyer, Oberitalienische Frührenaissance, II.

I
 
Annotationen