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Abb. 99. Fagade des Mailänder Domes bei der Trauerfeier Kaiser Karls VI. 1741
nach einem Kupferstich des Marc. Ant. Dal. Re.

Fünftes Capitel.

Der Mailänder Dom in der Frührenaissance.

,, Constituire il dicto tiburio, quäle sia bello honorevole
et eterno.“ Dombauacten. 27. Juni 1490. — „Ein Weih-
geschenk des Renaissancehumors am Grabe der verblichenen
Gothik.“ Jacob Burckhardt, 1867.
iner der ersten italienischen Künstler, der in der Hochrenaissance dem gothi-
schen Stil fast unbefangen gegenübertritt, ist zugleich einer der entschlossensten
Classicisten: Andrea Palladio. Er widmet der Gothik merkwürdig besonnene
Worte.1) Viele Bauten seien in diesem Stile ausgeführt, darunter „die be-
deutendsten Italiens“! Der grofse Vicentiner erhebt sich sogar schon zu einem geschicht-
lichen Standpunkt, indem er von der Kirche S. Petronio in Bologna urtheilt, sie offenbare
„mit Rücksicht auf ihre Entstehungszeit“, und „wenn man nun einmal die deutsche Weise
zugiebt“, „mannigfache Schönheiten“.
In der bunten Reihe von Denkmälern, welche Palladio hier als „gothische“ Bauten
Italiens aufführt, nennt er den Mailänder Dom2) an zweiter Stelle; wenn es gilt, die
selbständig fortwirkende Kraft der gothischen Ueberlieferung an einem italienischen Bauwerk
zu erweisen, ist jedoch die Mailänder Kathedrale zweifellos das bezeichnendste Beispiel.
Selbst aus der auf sie bezüglichen Kunstlitteratur ist dies zu entnehmen. Den vereinzelten
Aeufserungen, welche den Widerspruch der Renaissance andeuten — dem Filarete gesellt
sich hierbei selbst Marcantonio Michiel3) —, steht vor allem das berühmte, Bramante


1) Gaye, Carteggio inedito d’artisti. Firenze 1840. III. S. 322. Brief Palladios an die Bau-
verwaltung von S. Petronio in Bologna. 17. Juli 1572.
2) Scamozzi bezeichnet gerade diesen freilich als einen „Marmorberg, in den Löcher ge-
hauen sind“.
3) Notizie etc. ed. Frimmel, Wien 1888, S. 54. „El domo de Milano fu principiato alla tedescha
per il ehe contiene molti errori“ und „el carico ... fu, corezer la fabrica et ridurla da quel prin-
cipio tedescho in qualche buona forma.“ (!)
 
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