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Zweites Capitel.
Die Colleoni-Capelle in Bergamo.

„Collea quae seruat moles operosa sepultum
Hoc juxta est, cuius plumbeus extat apex.
Illius tumulus, Simulacraq; marmoris audent
Phidiacae signis se aequiparare manus.“
Achillis Mucii Theatrum . . . Bergomi, 1596.

orditalien besitzt wenige durch Menschenhand geschaffene Stätten, die sich an
stimmungsvollem Reiz mit der „Piazza Garibaldi“ der Altstadt Bergamo messen
können. Es ist das Forum des Ortes, ein kleines Plateau auf dem Gipfel
des Berges, der den Baugrund für „Bergamo alta“ bot und es zu einer der
am schönsten gelegenen Städte der Lombardei macht. An der Nordseitc erhebt
sich in wuchtigem Spätrenaissancestil der jetzt in ein Istituto tecnico umgewandelte
Municipalpalast, geradeüber der Broletto, zu dessen Frontwand mit den Bogenhallen und
den gothischen Fenstern sich in vereinzeltem, leider halb zerstörtem Marmorschmuck
zierliche Frührenaissance-Decoration gesellt, während rechts im Winkel vor dem Thurm
die hochstufige Treppe mit ihrem Holzdach zum Oberstock, zur Stadtbibliothek, emporführt.
Heut pflegen nur wenige Menschen diesen stolzen Platz zu beleben. Seine frühere
Bedeutung als socialer Mittelpunkt hat er zu Gunsten der Piazza Cavour in der modernen,
betriebsamen Unterstadt völlig eingebüfst. Unbeachtet bleibt jetzt die schlechte Statue
Torquato Tassos, welche dem Platz ehemals den Namen gab; aus den Steinfliesen spriefst
Gras, und meist herrscht Stille ringsum: träumerisch scheint die Gegenwart hier nur der
märchenhaften Sprache vergangener Zeiten zu lauschen. — Und deren Eindruck gewinnt
noch an Reiz, wenn man die Hallen des alten Broletto selbst durchschreitet, denn dann
öffnet sich dem Blick ein zweites noch fesselnderes Architekturbild. Der Dom zur Linken
geleitet von den Tagen Filaretes zu denen Bramantes, Palladios, Scamozzis und bis zur
Jetztzeit, vor uns aber verkörpern sich die beiden Blütheperioden echt oberitalienischer
Decorationsweise in zwei ihrer köstlichsten, durch ihre unmittelbare Nachbarschaft doppelt
wirksamen Bauten: in dem gothischen Nordportal von S. Ma'ria Maggiore und in der bunt
und lustig schimmernden Renaissancefagade der Cappella Colleoni.
Vom Namen des Condottieren Bartolomeo Colleoni ist die an Erinnerungen an
grofse Männer so reiche Stadt noch heute erfüllt. Hält ihn doch schon seine hochherzige
Stiftung für Bergamasker Bräute noch jetzt bei manchem jungen Glück lebendig! Wer
freilich den eigenartigen Zauber, der das Leben eines Condottieren der Renaissance zu-
weilen umgeben konnte, so recht auf sich wirken lassen will, mufs nach dem Lieblings-
aufenthalt des alten Haudegens, nach Malpaga wandern, wo dessen Feste in den Fresken
Romaninos noch einen lebhaften Nachhall finden; allein auch in Bergamo selbst legen die
 
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