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Neuntes Capitel.
Zur Stillehre der lombardischen Frührenaissance.

,, Alles ist Frucht und
Alles ist Samen.“

ie Stil-Geschichte enthält zugleich auch die Stil-Lehre; bei der selbständigen
Behandlung der einzelnen Hauptdenkmäler mufste das ihnen allen Gemein-
same jedoch oft zurücktreten, stets getrennt werden. Dieser letzte Abschnitt
soll es zusammenfassen.
Auch dabei aber ist der historische Standpunkt dieser Studien zu wahren.
Nicht etwa eine Sammlung von Regeln für stilgerechte Copistenarbeit will diese „Stil-Lehre“
bieten, sondern ein Charakterbild, wie es am Ende jeder biographischen Schilderung er-
wünscht ist.


I. Gesamtcharakter.

Nationale Baukunst.


Wo gelangt die Eigenart der lombardischen Renaissance im
Sinne nationaler Stilistik am bedeutsamsten zum Ausdruck: in den
Raumgebilden und constructiven Mitteln ihrer Baukunst, oder in
Schmuckweisen und Zierformen ihrer Decoration, oder aber in
der Vereinigung beider? —
Fafst man die Architektur nur als „Raumgestalterin“, so
bleibt der Hauptruhm der lombardischen Renaissance, dafs sie die
Typen der Centralkirche durch alle Stufen räumlicher Gliederung
und Gröfse, von der quadratischen Capelle bis zum Riesendom,
entwickelt hat. Dabei war Mittelitalien unter der Führung Bru-
nelleschis vorangegangen, und die gleiche Rolle übernahm dann
in der Lombardei selbst der zugewanderte Bramante. Die Skizzen
Leonardos bieten für die höchsten Probleme dieser Raumform
sogar zahlreichere Lösungen, als alle Centralkirchen des Landes.
Trotzdem darf schon hier die nationale Ueberlieferung nicht ver-
gessen werden. Die Centralkirche ist eine der wichtigsten Formen,
in denen das Streben nach freier Weiträumigkeit Befriedigung
sucht, und dieses war schon in der Entwickelung der mittelalter-
lichen Baukunst der Lombardei ein treibendes Element. Die ge-
gliederte Centralkirche ist ferner straff concentrirter Gruppenbau,
und Oberitalien hat schon mit seinen mittelalterlichen Bauten den
Ruhm als „Heimath des Gruppirens der Baumassen“ erworben. Für

das Innere wiegt darin S. Lorenzo in Mailand bereits alle mittelitalienischen Muster auf,

und für das Aeufsere boten die Halbkreisapsiden lombardisch-romanischer Basiliken mit
 
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