Abb. 28. Bergamo. Colleoni-Monument. Fries am „unteren“ Sarkophag.
erst neuerdings von der Tünche befreiten Wandbilder seines Palastes,1) des heutigen
Istituto Colleoni, von seinem Kunst- und Ruhmsinn Zeugnifs ab.
Sein Hauptdenkmal ist jedoch seine Grabcapelle (Taf. IV).
Ein echtes Renaissance-Mausoleum! Den ernsten Zweck läfst die Front des
kleinen Anbaues an S. Maria Maggiore nicht ahnen; ihr Wesen ist vielmehr heitere
Pracht. Sie ist als Ganzes nur ein decoratives Schaustück, eine färben- und figurenreiche
Coulissc, nicht aber der Ausdruck eines architektonischen Gedankens. Der letztere bleibt,
soweit er im baulichen Organismus allein ausgesprochen ist, überhaupt recht dürftig: ein
quadratischer Hauptraum, an den sich westlich ein ebenfalls quadratisches Altarhaus an-
schliefst, und neben diesem die schmale Sacristei; der cubische Hauptkörper der Capelle
nur durch einen Zwischentheil mit abgestumpften Vorderecken in den octonogonalen
Tambour übergeleitet, der die achtseitige Kuppel trägt, und westlich das niedrige Altarhaus
mit selbständiger Kuppel! Diese Architektur ist als solche vollständig reizlos, und der
decorative Schmuck ist der Frontwand gleichsam nur wie ein schimmernder Teppich
vorgeheftet. Allein die Gesamtwirkung dieser Fagade bleibt davon unabhängig. Ueber
die Form herrscht in ihr die Farbe.
Dies wird vor allem durch die vollständige Verkleidung der glatten Mauerflächen
mit weifsen, rothen und schwarzen Marmorplättchen bedingt, die, als Rauten gegen-
einander gesetzt, übereinander gefügten mehrfarbigen Würfeln gleichen: ästhetisch als
Schmuck einer verticalen Wand ebenso verfehlt, wie als Fufsbodenbclag. Zu so klein-
lichem Spiel ist hier die Pisaneske Strcifenincrustation herabgesunken, für weiche das
benachbarte Portal der Kirche S. Maria Maggiore ein doch weit monumentaler gehaltenes
Muster bot! — Dieser Buntscheckigkeit der Hauptflächen entspricht auch die vielfarbige
Behandlung des Uebrigen, die selbst auf winzige Theilglieder ausgedehnt ist. Auch die
luftige Durchbrechung des Ornamentes steigert den coloristischen Wechsel. Schon in
dieser Hinsicht ist diese Front das Hauptbeispiel der malerischen Verzierungsweise der
Lombardei und, weil auf so viel kleineren Raum beschränkt, bezeichnender als selbst
die der Certosa. Allein auch bei solchen winzigen Mafsverhältnissen tritt die Unfähigkeit,
die Aufgaben baulicher Decoration künstlerisch befriedigend zu bewältigen, fühlbar genug
hervor, selbst wenn man von den späteren Umänderungen, besonders der Fenster, zunächst
noch ganz absieht. Die architektonische Grundform ist auch an der Front sehr schlicht:
in der Mitte eine kleine, rundbogige Eingangsthür, darüber eine grofse Rose und seitlich
zwei hohe, zunächst geradlinig, dann ebenfalls im Halbkreis geschlossene Fenster; dazu
zwei Eckpfeiler und oben, über zierlicher Balustrade, eine stattliche Arcadengalerie. Nur
bis hierher darf man die der Renaissancearbeit gewidmete Betrachtung ausdehnen, obschon
auch dieser Theil nicht intact blieb. Mit völlig malerischer Freiheit breitet sich über
diesen Kern das Schmuckgewand, nicht nur als Rahmen- und Füllwerk, sondern auch
als eine selbständige Zierarchitektur, in unruhig durchbrochenen Linien und Formen.
1) Vergl. L’ arte ital. decor. VI. 1897. Nr. 3. S. 25 ff.