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Christine Kleinjung
terisierung und Abgrenzung der sozialen Gruppe der hochadligen Nonnen gegenü-
ber ihren Konventsschwestern und ein Näherrücken an ihre weltlichen weiblichen
Verwandten nötig. Es stellt sich vor diesem Hintergrund auch die Frage, inwieweit
die Suche nach religiösen Gründen für einen Klostereintritt für die Thematik über-
haupt relevant ist, da für die Heiratsverbindungen der weltlichen Töchter emotio-
nale Gründe auch kaum ausschlaggebend gewesen sein dürften. Das Bild der in die
Ehen verkauften Töchter kann daher korresponierend mit demjenigen ihrer in die
Klöster abgeschobenen Geschwistern gesehen werden.
Eine Neubewertung der Beziehung von hochadligen Nonnen zu ihren Fami-
lien müsste daher einerseits in stärkerem Maß auch hier die Frage nach Selbstver-
ständnis und Rollenübernahme der geistlichen Töchter stellen. Es darf nicht verges-
sen werden, dass das Leben im Kloster von den Betroffenen als standesgemäß ange-
sehen werden konnte und gleichzeitig die Erfüllung der religiösen Aufgaben zum
Nutzen der Familie unter Umständen auch verinnerlicht und zu eigen gemacht
wurde. Entscheidend ist der Vergleich mit der Situation der weltlichen und geistli-
chen Geschwister. Diese Untersuchung unter Berücksichtigung der Kategorien
Stand, Geschlecht, Familie113 erscheint vielversprechend. Sie ist für das späte Mittel-
alter und die frühe Neuzeit aufgrund von Selbstzeugnissen der Nonnen leichter
umsetzbar. Dennoch ist es notwendig und nicht aussichtslos, die Zeugnisse, die für
das 13. und 14. Jahrhundert vorliegen nach der Beziehung zwischen Nonnen und
ihren Familien, deren Verlauf, Struktur und Funktion vor dem Hintergrund der
Interaktion zwischen Adelsfamilie und Konvent sowie der Entwicklung innerhalb
des Adels zu befragen. Dieses Vorgehen beinhaltet die Suche nach verschiedensten
Verbindungslinien zwischen den Familien und den geistlichen Institutionen. Da
diese Kontakte wiederum Bündnisse und Kommunikationsstrukturen zwischen
hochadligen Gruppen abbilden, erschließt die Untersuchung der politischen Kon-
stellationen hinter den Klostereintritten hochadliger Nonnen auch die Funktion von
Klöstern als Beziehungszentren innerhalb des Adels.
113 Dieser Ansatz wurde von Marietta Meier für das 18. Jahrhundert entwickelt. Ihre These bietet
trotzdem auch für mediävistische Forschung interessante Anregungen. Vgl. Marietta Meier,
Warum adlige Frauen in ein Stift oder ein Kloster eintraten. Zum Zusammenhang der Katego-
rien Stand, Familie, Geschlecht, in: Geschlecht hat Methode. Ansätze und Perspektiven in der
Frauen- und Geschlechtergeschichte. Beiträge der 9. Schweizerischen Flistorikerinnentagung
1998, hg. von Veronika Aegerter u. a., Zürich 1999, S. 107-115.
Christine Kleinjung
terisierung und Abgrenzung der sozialen Gruppe der hochadligen Nonnen gegenü-
ber ihren Konventsschwestern und ein Näherrücken an ihre weltlichen weiblichen
Verwandten nötig. Es stellt sich vor diesem Hintergrund auch die Frage, inwieweit
die Suche nach religiösen Gründen für einen Klostereintritt für die Thematik über-
haupt relevant ist, da für die Heiratsverbindungen der weltlichen Töchter emotio-
nale Gründe auch kaum ausschlaggebend gewesen sein dürften. Das Bild der in die
Ehen verkauften Töchter kann daher korresponierend mit demjenigen ihrer in die
Klöster abgeschobenen Geschwistern gesehen werden.
Eine Neubewertung der Beziehung von hochadligen Nonnen zu ihren Fami-
lien müsste daher einerseits in stärkerem Maß auch hier die Frage nach Selbstver-
ständnis und Rollenübernahme der geistlichen Töchter stellen. Es darf nicht verges-
sen werden, dass das Leben im Kloster von den Betroffenen als standesgemäß ange-
sehen werden konnte und gleichzeitig die Erfüllung der religiösen Aufgaben zum
Nutzen der Familie unter Umständen auch verinnerlicht und zu eigen gemacht
wurde. Entscheidend ist der Vergleich mit der Situation der weltlichen und geistli-
chen Geschwister. Diese Untersuchung unter Berücksichtigung der Kategorien
Stand, Geschlecht, Familie113 erscheint vielversprechend. Sie ist für das späte Mittel-
alter und die frühe Neuzeit aufgrund von Selbstzeugnissen der Nonnen leichter
umsetzbar. Dennoch ist es notwendig und nicht aussichtslos, die Zeugnisse, die für
das 13. und 14. Jahrhundert vorliegen nach der Beziehung zwischen Nonnen und
ihren Familien, deren Verlauf, Struktur und Funktion vor dem Hintergrund der
Interaktion zwischen Adelsfamilie und Konvent sowie der Entwicklung innerhalb
des Adels zu befragen. Dieses Vorgehen beinhaltet die Suche nach verschiedensten
Verbindungslinien zwischen den Familien und den geistlichen Institutionen. Da
diese Kontakte wiederum Bündnisse und Kommunikationsstrukturen zwischen
hochadligen Gruppen abbilden, erschließt die Untersuchung der politischen Kon-
stellationen hinter den Klostereintritten hochadliger Nonnen auch die Funktion von
Klöstern als Beziehungszentren innerhalb des Adels.
113 Dieser Ansatz wurde von Marietta Meier für das 18. Jahrhundert entwickelt. Ihre These bietet
trotzdem auch für mediävistische Forschung interessante Anregungen. Vgl. Marietta Meier,
Warum adlige Frauen in ein Stift oder ein Kloster eintraten. Zum Zusammenhang der Katego-
rien Stand, Familie, Geschlecht, in: Geschlecht hat Methode. Ansätze und Perspektiven in der
Frauen- und Geschlechtergeschichte. Beiträge der 9. Schweizerischen Flistorikerinnentagung
1998, hg. von Veronika Aegerter u. a., Zürich 1999, S. 107-115.