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Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Rogge, Jörg [Oth.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Nolte, Cordula,: der leib der hochst schatz – Zu fürstlicher Körperlichkeit, Gesunderhaltung und Lebenssicherung (1450-1550). Familien- und alltagsgeschichtliche Perspektiven
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0054

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Cordula Nolte

gen, inwieweit solche Gesundheitsempfehlungen berücksichtigt und in die Praxis
umgesetzt wurden.

1. Gesundheit und Herrschaft
Die Thematik bringt es mit sich, daß hier der Körper in seiner Verletzlichkeit und
nicht in seiner Glorie im Mittelpunkt steht. Damit wird ein Moment adlig-herr-
schaftlicher Existenz betrachtet, das wenig untersucht ist im Vergleich zu den Privi-
legien, die die Herrschenden im Schutz der Schloßmauern genossen, was den
Lebensstandard und Luxus, die gehobene Kultur und festliche Inszenierung, die
Pracht- und Machtentfaltung anging - jene Phänomene, die in Porschungen zur
Repräsentation im Mittelpunkt stehen.21
Adlige lebten im Bewußtsein, leicht verwundbar zu sein. Dieses Bewußtsein der
Verletzlichkeit, der Gefährdung von Leib und Leben, der Vergänglichkeit und des
drohenden Niedergangs war die Kehrseite ihrer Orientierung am Ideal der Unver-
sehrtheit und Vitalität sowie ihres Strebens nach Bestandswahrung und Expansion.
Dahinter stand die Erfahrung, besonderen Gefahren und Belastungen ausgesetzt zu
sein - vor allem den Mühen der Regierungsausübung22 - und selbst als relativ stabi-
les Kollektiv, als familienübergreifende Dynastie, von biologischen Wechselfällen
abhängig zu sein.23 Das Bewußtsein der Gefährdung potenzierte sich im Zusammen-
hang mit der politischen Verantwortung für das Wohlergehen von Dynastie, Land
und Leuten oder prosaischer ausgedrückt: mit der Notwendigkeit des Herr-
schaftserhalts. Bezeichnend dafür ist etwa die Mahnung Markgraf Albrechts, sein

21 Die Literatur zu diesem Schwerpunkt der Sozial- und Kulturgeschichte des Adels ist kaum
noch überschaubar. Vgl. die Einträge »Feste, höfische«, »Festkultur«, »Repräsentation« usw. im
Sachindex der Auswahlbibliographien in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Aka-
demie der Wissenschaften zu Göttingen, Sonderheft 4 und Sonderheft 5 (2000).
22 Vgl. Ernst Schuberts Frage »Wieviel Freude bereitet das Herrschen?«: Ernst der Bekenner als
Landesherr, in: Herzog Ernst der Bekenner und seine Zeit. Beiträge zur Geschichte des ersten
protestantischen Herzogs von Braunschweig-Lüneburg anläßlich der 500jährigen Wiederkehr
seines Geburtstages in Uelzen im Jahre 1497, hg. von Hans-Jürgen Vogtherr, Uelzen 1998,
S. 25-62, hier S. 32ff. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen bat 1513 seinen Bruder Johann
eindringlich, sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen, weil er wegen seiner angegriffenen
Gesundheit die Strapazen allein nicht mehr tragen könne. Jörg Rogge, Herrschaftsweitergabe,
Konfliktregelung und Familienorganisation im fürstlichen Hochadel: Das Beispiel der Wettiner
von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Monographien zur Geschichte des
Mittelalters 49), Stuttgart 2002, S. 293. Vgl. weiter unten zum Regierungsrücktritt Kurfürst
Friedrichs II. von Brandenburg.
23 Graf Eberhard im Bart von Württemberg wird die Bemerkung zugeschrieben ein Eierhauff und
ein Kinderhauff, die seind gar bald zergangen. Zitiert bei Hansmartin Decker-Hauff, Landesein-
heit und Landesteilung. Wunsch und Wirklichkeit in der Vorstellung spätmittelalterlicher Lan-
desherren, in: Mfinsingen. Geschichte, Landschaft, Kultur. Festschrift zum Jubiläum des würt-
tembergischen Landeseinigungsvertrages von 1482, hg. von der Stadt Münsingen, Sigmaringen
1982, S. 31-36, hier S. 34, und bei Karl-Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen
Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (Vierteljahrschrift für Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 111), Stuttgart 1993, S. 443f. Nach Wolfgang E. J. Weber
kann man die Dynastie wegen ihrer größeren Kontinuität und erhöhten Identität als »eine opti-
mierte Erscheinungsform der Familie« bezeichnen: Dynastiesicherung und Staatsbildung. Die
Entfaltung des modernen Fürstenstaats, in: Der Fürst. Ideen und Wirklichkeiten in der europäi-
schen Geschichte, hg. von Wolfgang Weber, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 91-136, hier S. 95.
 
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