Zu fürstlicher Körperlichkeit, Gesunderhaltung und Lebenssicherung
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Bruder möge bei seinen politischen Entscheidungen berücksichtigen, daß er, Al-
brecht, zwei kleine Kinder habe: So sind wir bede alt vnd ich hart verwundet vnd geen auf
der gruben.24 Mit ähnlichen Argumenten ließ er seinen Bruder während einer Seuche
bitten, auf keinen Fall sein leib In grosse wagnus des sterbenhalb zu versetzen.25
Die Körperqualitäten und das Wohlergehen von Fürst, Fürstin und ihren Erben
waren eben keine Privatangelegenheit. Der Fürst mußte seine physische Konstitution
in der Jugend stärken, vor allem durch körperliches Training und eine ausgewogene
Diät26, und zeitlebens sorgfältig seine Gesundheit erhalten, um der Regierungsarbeit
gewachsen zu sein.27 Er legte überdies in der politischen Öffentlichkeit Wert darauf,
im Vollbesitz seiner Kräfte zu erscheinen. In ritterlichen Wettkämpfen ließ er als Ath-
let die Muskeln so sichtbar wie möglich spielen, womöglich gar im Seidenhemd, ohne
den schützenden Harnisch.28 Vor allem gegenüber politischen Gegnern, die aus seiner
Hinfälligkeit hätten Kapital schlagen können, demonstrierte der Herrscher Vitalität.24
Herzog Bogislaw X. von Pommern etwa wollte 1488 gegenüber den Markgrafen von
Brandenburg, die auf den Erbanfall Pommerns spekulierten, keineswegs offenbaren,
daß er bei einem Jagdunfall eine beinahe tödliche Brustverletzung erlitten hatte. Als
die markgräflichen Räte unter dem Vorwand zu Bogislaw kamen, ihn zu trösten, in
Wirklichkeit jedoch, um zu überprüfen, ob er schon tot sei, ermannte er sich trotz aller
Schwäche, empfing sie stattlich gekleidet und behauptete, er sei frisch und gesund.10
24 Zettel zum Schreiben vom 1. März 1468. Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der
Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Branden-
burg und ihrer Regenten, 41 Bde., Berlin 1838-1869, Bde. C 1-3, hg. von Adolph Friedrich Rie-
del, Berlin 1859-1861 (im folgenden abgekürzt als CDB). Hier CDB C 1, Nr. 333, S. 475.
25 Angesehen, das die Herschafft gantz vff seiner liebe vnd vns steet, Nachdem seine vnd vnsere kinder Jung
vnd vnertzogen sind. Mitte Dez. 1464. CDB C 1 (wie Anm. 24), Nr. 250, S. 369.
26 Die weil ohne gutte gesundheitt niemands weder recht studiren, dociren oder wohl regieren khan, hieß es
in einer Speiseordnung für den kurpfälzischen Fürstensohn Friedrich. Undatiert (1582). Fried-
rich Schmidt, Geschichte der Erziehung der pfälzischen Wittelsbacher. Urkunden nebst
geschichtlichem Überblick und Register (Monumenta Germaniae Paedagogica 19), Berlin 1899,
S. 283. Die im 16. Jahrhundert sich mehrenden Erziehungsinstruktionen enthielten konkrete
Anweisungen, in welchen sportlichen Disziplinen Fürstensöhne sich üben sollten (Reiten, Fech-
ten, Springen, Wettlaufen, Ritterspiele, Jagdübungen, Schießen, Werfen, Kegeln). Vgl. etwa die
bei Schmidt versammelten Dokumente. Vgl. Pedro Gil Sotres, Regeln für eine gesunde
Lebensweise, in: Die Geschichte des medizinischen Denkens. Antike und Mittelalter, hg. von
Mirko D. Grmek, München 1996, S. 312-355, hier S. 333ff., zur allgemeinen Wertschätzung kör-
perlicher exercitia in mittelalterlichen Gesundheitslehren und zu standesspezifischen Sportarten
(einschließlich Übungen für Kleriker).
27 Zur Gesunderhaltung als Herrscherpflicht Körtgen, Gesundheit (wie Anm. 20), S. 33ff.
28 Das wird über den jugendlichen Markgrafen Albrecht Achüles von Brandenburg-Ansbach
berichtet. Ritter Ludwig's von Eyb Denkwürdigkeiten brandenburgischer (hohenzollerischer)
Fürsten, hg. von Constantin Höfler (Quellensammlung für fränkische Geschichte 1), Bay-
reuth 1849, S. 124. Die Neuedition von Matthias Thumser war mir nicht rechtzeitig zugäng-
lich: Ludwig von Eyb der Ältere (1417 - 1502): Schriften. Denkwürdigkeiten, Gültbuch, Briefe
an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/74, Mein Buch (Veröffentlichungen der Gesellschaft für
fränkische Geschichte, I. Reihe: Fränkische Chroniken 6), Neustadt a. d. Aisch 2002.
29 Vgl. Rudolf Hiestand, Kranker König - kranker Bauer, in: Der kranke Mensch in Mittelalter
und Renaissance, hg. von Peter Wunderli (Studia Humaniora 5), Düsseldorf 1986, S. 61-77,
hier S. 65ff.
30 So Kantzow. Thomas Kantzow's Chronik von Pommern in Niederdeutscher Mundart [...], hg.
von Wilhelm Böhmer, Stettin 1835 (ND Vaduz 1973), S. 142. In einer späteren Fassung malte
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Bruder möge bei seinen politischen Entscheidungen berücksichtigen, daß er, Al-
brecht, zwei kleine Kinder habe: So sind wir bede alt vnd ich hart verwundet vnd geen auf
der gruben.24 Mit ähnlichen Argumenten ließ er seinen Bruder während einer Seuche
bitten, auf keinen Fall sein leib In grosse wagnus des sterbenhalb zu versetzen.25
Die Körperqualitäten und das Wohlergehen von Fürst, Fürstin und ihren Erben
waren eben keine Privatangelegenheit. Der Fürst mußte seine physische Konstitution
in der Jugend stärken, vor allem durch körperliches Training und eine ausgewogene
Diät26, und zeitlebens sorgfältig seine Gesundheit erhalten, um der Regierungsarbeit
gewachsen zu sein.27 Er legte überdies in der politischen Öffentlichkeit Wert darauf,
im Vollbesitz seiner Kräfte zu erscheinen. In ritterlichen Wettkämpfen ließ er als Ath-
let die Muskeln so sichtbar wie möglich spielen, womöglich gar im Seidenhemd, ohne
den schützenden Harnisch.28 Vor allem gegenüber politischen Gegnern, die aus seiner
Hinfälligkeit hätten Kapital schlagen können, demonstrierte der Herrscher Vitalität.24
Herzog Bogislaw X. von Pommern etwa wollte 1488 gegenüber den Markgrafen von
Brandenburg, die auf den Erbanfall Pommerns spekulierten, keineswegs offenbaren,
daß er bei einem Jagdunfall eine beinahe tödliche Brustverletzung erlitten hatte. Als
die markgräflichen Räte unter dem Vorwand zu Bogislaw kamen, ihn zu trösten, in
Wirklichkeit jedoch, um zu überprüfen, ob er schon tot sei, ermannte er sich trotz aller
Schwäche, empfing sie stattlich gekleidet und behauptete, er sei frisch und gesund.10
24 Zettel zum Schreiben vom 1. März 1468. Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der
Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Branden-
burg und ihrer Regenten, 41 Bde., Berlin 1838-1869, Bde. C 1-3, hg. von Adolph Friedrich Rie-
del, Berlin 1859-1861 (im folgenden abgekürzt als CDB). Hier CDB C 1, Nr. 333, S. 475.
25 Angesehen, das die Herschafft gantz vff seiner liebe vnd vns steet, Nachdem seine vnd vnsere kinder Jung
vnd vnertzogen sind. Mitte Dez. 1464. CDB C 1 (wie Anm. 24), Nr. 250, S. 369.
26 Die weil ohne gutte gesundheitt niemands weder recht studiren, dociren oder wohl regieren khan, hieß es
in einer Speiseordnung für den kurpfälzischen Fürstensohn Friedrich. Undatiert (1582). Fried-
rich Schmidt, Geschichte der Erziehung der pfälzischen Wittelsbacher. Urkunden nebst
geschichtlichem Überblick und Register (Monumenta Germaniae Paedagogica 19), Berlin 1899,
S. 283. Die im 16. Jahrhundert sich mehrenden Erziehungsinstruktionen enthielten konkrete
Anweisungen, in welchen sportlichen Disziplinen Fürstensöhne sich üben sollten (Reiten, Fech-
ten, Springen, Wettlaufen, Ritterspiele, Jagdübungen, Schießen, Werfen, Kegeln). Vgl. etwa die
bei Schmidt versammelten Dokumente. Vgl. Pedro Gil Sotres, Regeln für eine gesunde
Lebensweise, in: Die Geschichte des medizinischen Denkens. Antike und Mittelalter, hg. von
Mirko D. Grmek, München 1996, S. 312-355, hier S. 333ff., zur allgemeinen Wertschätzung kör-
perlicher exercitia in mittelalterlichen Gesundheitslehren und zu standesspezifischen Sportarten
(einschließlich Übungen für Kleriker).
27 Zur Gesunderhaltung als Herrscherpflicht Körtgen, Gesundheit (wie Anm. 20), S. 33ff.
28 Das wird über den jugendlichen Markgrafen Albrecht Achüles von Brandenburg-Ansbach
berichtet. Ritter Ludwig's von Eyb Denkwürdigkeiten brandenburgischer (hohenzollerischer)
Fürsten, hg. von Constantin Höfler (Quellensammlung für fränkische Geschichte 1), Bay-
reuth 1849, S. 124. Die Neuedition von Matthias Thumser war mir nicht rechtzeitig zugäng-
lich: Ludwig von Eyb der Ältere (1417 - 1502): Schriften. Denkwürdigkeiten, Gültbuch, Briefe
an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/74, Mein Buch (Veröffentlichungen der Gesellschaft für
fränkische Geschichte, I. Reihe: Fränkische Chroniken 6), Neustadt a. d. Aisch 2002.
29 Vgl. Rudolf Hiestand, Kranker König - kranker Bauer, in: Der kranke Mensch in Mittelalter
und Renaissance, hg. von Peter Wunderli (Studia Humaniora 5), Düsseldorf 1986, S. 61-77,
hier S. 65ff.
30 So Kantzow. Thomas Kantzow's Chronik von Pommern in Niederdeutscher Mundart [...], hg.
von Wilhelm Böhmer, Stettin 1835 (ND Vaduz 1973), S. 142. In einer späteren Fassung malte