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Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Rogge, Jörg [Oth.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Nolte, Cordula,: der leib der hochst schatz – Zu fürstlicher Körperlichkeit, Gesunderhaltung und Lebenssicherung (1450-1550). Familien- und alltagsgeschichtliche Perspektiven
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0056

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Cordula Nolte

Markgraf Casimir von Brandenburg-Ansbach berichtete seinem Bruder im Vertrauen,
er habe, noch nicht ganz von einer schweren Krankheit genesen, die Hochzeit seines
Neffen Joachims des Jüngeren besucht und sich dort gegen den leuten kecklicher gestellt,
dann vnnser vermögen gewest ist.31
Auch die äußere Erscheinung der Fürstin war Gegenstand des öffentlichen
Gesprächs, ließ sich an ihr doch ablesen, ob die Dynastie prosperieren würde. Als
Elisabeth von Hessen 1517 zu ihrer Hochzeit mit Johann von Sachsen in Leipzig ein-
traf, bekundete die Bevölkerung deutliches Mißfallen an ihrem Aussehen.32 Tatsäch-
lich sollte die Ehe kinderlos bleiben und somit nach dem Maßstab dynastischer Poli-
tik als Fehlschlag gelten. Das Intimleben fürstlicher Paare wurde aufmerksam beob-
achtet, vor allem solange die Erbfolge noch nicht gesichert war. Unter Umständen
sprachen dabei sogar die Landstände mit, etwa in Pommern, wo das Jungverheira-
tete Herzogspaar 1477 auch während der Trauerzeit um den alten Herzog mit dem
Beilager fortfahren mußte, domit das Land nicht herloss stürbe.33 Daß der Herzog und
seine markgräfliche Ehefrau der Aufforderung nachkamen, soll Märker und Pom-
mern erfreut haben: Dan sie meinten, das dasselb ein ewig Bant des Friedens zwuschen
beiden Landen wurde sein. Bei Schwangerschaften und Geburten schließlich forderten
Gebetsaufrufe in Klöstern und Kirchen zur allgemeinen Anteilnahme auf. Beson-
dere Verletzlichkeit auf individueller wie kollektiver Ebene sowie der Politik- und
Öffentlichkeitsbezug des Körperlichen - diese Merkmale grundierten das Verhalten
des Regenten und seiner Angehörigen auf dem Gebiet von Gesundheit/Krankheit
und bestimmten darüber hinaus ihre sozialen Beziehungen untereinander mit.

2. Gesunderhaltung
Gemessen an den materiellen Grundlagen verfügten Fürsten über ausgezeichnete
Möglichkeiten, ihr Leben im Einklang mit geltenden Gesundheitslehren zu gestal-
ten: von der (bedingt freien) Wahl zwischen verschiedenen Aufenthaltsorten über
eine ausreichende, vielseitige Ernährung bis zur individuellen medizinischen Vor-

Kantzow diese Episode noch weiter aus und behauptete, der halbtote Bogislaw habe, um
gesunde Rosigkeit vorzutäuschen, sich ein Kohlfeur vor einen Kamin machen [lassen], daß er vom
Feur fein rot ward. Kantzow, Pomerania (wie Anm. 10), S. 47. Vgl. zur Chronik und ihren Fas-
sungen Anm. 10.
31 Schreiben an seinen Bruder Georg, 11. Nov. 1524. GStAB, BPH, Rep. 41 IIJ 1. Vgl. auch den Hin-
weis bei Johannes Fried, daß König Ludwig der Deutsche seine gebrochenen Rippen vor sei-
nem königlichen Bruder Karl dem Kahlen verbarg aus Sorge um politische Nachteile: Frauen-
geschichte, Körpergeschichte - neue Perspektiven der Geschichtswissenschaft, in: Perspektiven
der Forschung und ihrer Förderung. Aufgaben und Finanzierung 1997-2001, hg. von der Deut-
schen Forschungsgemeinschaft, Weinheim/New York 1997, S. 110-120, hier S. 115. Diese Hal-
tung, das Verschweigen von Gebrechlichkeit, ist bezeichnend auch für andere Milieus, in denen
die körperliche Leistungsfähigkeit über die soziale Position mitentscheidet. Chvojka, Schmer-
zen (wie Anm. 1), S. 41, zum bäuerlichen Bereich.
32 Die Leipziger waren enttäuscht, daß Elisabeth nicht so schön war wie ihre Mutter Anna, die als
»Frau Venus« gefeiert wurde. Elisabeth Werl, Herzogin Elisabeth von Sachsen, die Schwester
Landgraf Philipps von Hessen in bildlicher Darstellung. Zur Identifizierung von Cranachbild-
nissen. Landgraf Philipps von Hessen Kinderbild?, in: HJL 15,1965, S. 23-37, hier S. 23f.
33 Kantzow, Chronik von Pommern in hochdeutscher Mundart. Letzte Bearbeitung (wie
Anm. 10), S. 329.
 
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