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Ilona Fendrich
Frauendiskurs die Position des Subjekts ein, das über das Objekt Frau spricht und
urteilt.46 Schnell definiert den Frauendiskurs als einen dogmatisch-spekulativen,
androzentrisch bestimmten Diskurs47, in dem »das Reden über die Frau ohne jegli-
che kritische Reflexion über den Mann auskommt.«48 Denn das männliche
Geschlecht brauchte sich aufgrund seiner idealen Selbstkonstruktion gar nicht sel-
ber zu thematisieren und in Frage zu stellen, weil es sich ja selbst als Maßstab vo-
raussetzte. Stattdessen entwarf der Mann im Frauendiskurs beliebig negative oder
positive Frauenbilder und stellte einseitig normative Verhaltensanforderungen an
die Frau.44 So wurden Glück und Unglück in der Ehe alleine von dem Verhalten der
Ehefrau abhängig gemacht: wenn sie die an eine rechtschaffene Frau gestellten Ver-
haltensnormen erfüllte, so war eine harmonische Partnerschaft gewährleistet, im
anderen Falle aber war die Ehe zum Scheitern verurteilt. Dem Mann selber wurde
keinerlei Verantwortung für ein harmonisches Zusammenleben der Ehepartner
übertragen. Dementsprechend zeichnet sich der Frauendiskurs durch ein statisches
Ehebild aus. Die Beziehung zwischen Mann und Frau wurde nicht als ein Entwick-
lungsprozess verstanden, der Veränderungen unterliegt und in dem es sowohl
glückliche Phasen als auch krisenhafte Perioden geben kann. Weibliche Bedürfnisse
und Ansprüche spielten im Frauendiskurs keine Rolle. Die Frau wurde in Bezug auf
ihr Lebensglück über den Mann definiert: ihre eigene Zufriedenheit in der Ehe galt
in der Logik des Frauendiskurses als garantiert, wenn sie ihren Gemahl als vorbild-
liche Ehefrau glücklich machte.50 Andererseits wurden Ehefrauen dazu angehalten,
auch eine schlechte Behandlung durch ihren Gemahl geduldig zu ertragen und ihm
den schuldigen Gehorsam zu leisten. Schnell weist darauf hin, dass der Frauendis-
kurs die Rolle der Frau gerade darin definierte »sich selbst ständig zu kontrollieren
und zu disziplinieren, dem Ehemann aber alle Untugenden nachzusehen.«51 So the-
unterscheidet Schnell, Frauendiskurs (wie Anm. 45), S. 173 hinsichtlich der Funktion misogy-
ner Schriften unter Texten, »die eine generelle Frauenkritik als rhetorische Übung verstehen,
(...) die Frauenkritik als Teil einer ernstgemeinten allgemeinen Weltverachtung (contemptus
mundi) formulieren, (...) bei denen misogyne Äußerungen dem pastoraltheologischen Ziel die-
nen, Mönche in ihrer Askese zu bestärken oder allgemein zu Enthaltsamkeit und Virginität auf-
zurufen und Texte, die sich gegen Frauen wenden, weil sie vor Liebe warnen oder aber von Lie-
beskrankheit heilen wollen.«
46 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 171, S. 183.
47 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 166, S. 170. Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45),
S. 167 weist darauf hin, dass der Lrauendiskurs häufig in Sentenzenkommentaren und theolo-
gischen Summen der Hochscholastik geführt wurde, also stark theoretisch ausgerichtet war. Er
war besonders stark geprägt »von einigen wenigen spekulativ-dogmatischen Vorannahmen
(...), die gespeist sind aus Bibelstellen (z. B. Genesis 3,16: die Frau sei dem Mann untertan;
1. Kor. 11,3: der Mann ist das Haupt der Frau), aus naturphilosophischen Thesen (von der geis-
tigen und körperlichen Inferiorität der Frau) und aus theologisch-patristischen Sentenzen (der
Mann sei der geistige Führer der Frau).« Diese Theoreme wurden als unverrückbare Fakten hin-
genommen und ihre Berechtigung wurde deshalb nicht mehr angezweifelt. Schnell, Frauen-
diskurs (wie Anm. 45), S. 184.
48 Schnell, Frauendiskurs (wie Anm. 45), S. 171.
49 Schnell, Frauendiskurs (wie Anm. 45), S. 171. Die Verhaltensnormen entsprechen den oben
erläuterten Tugenden, die einer ehrenwerten Frau abverlangt wurden. Sie musste sich ihrem
Ehemann absolut unterordnen, schweigsam, freundlich, bescheiden und keusch sein.
50 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 175ff.
51 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 184.
Ilona Fendrich
Frauendiskurs die Position des Subjekts ein, das über das Objekt Frau spricht und
urteilt.46 Schnell definiert den Frauendiskurs als einen dogmatisch-spekulativen,
androzentrisch bestimmten Diskurs47, in dem »das Reden über die Frau ohne jegli-
che kritische Reflexion über den Mann auskommt.«48 Denn das männliche
Geschlecht brauchte sich aufgrund seiner idealen Selbstkonstruktion gar nicht sel-
ber zu thematisieren und in Frage zu stellen, weil es sich ja selbst als Maßstab vo-
raussetzte. Stattdessen entwarf der Mann im Frauendiskurs beliebig negative oder
positive Frauenbilder und stellte einseitig normative Verhaltensanforderungen an
die Frau.44 So wurden Glück und Unglück in der Ehe alleine von dem Verhalten der
Ehefrau abhängig gemacht: wenn sie die an eine rechtschaffene Frau gestellten Ver-
haltensnormen erfüllte, so war eine harmonische Partnerschaft gewährleistet, im
anderen Falle aber war die Ehe zum Scheitern verurteilt. Dem Mann selber wurde
keinerlei Verantwortung für ein harmonisches Zusammenleben der Ehepartner
übertragen. Dementsprechend zeichnet sich der Frauendiskurs durch ein statisches
Ehebild aus. Die Beziehung zwischen Mann und Frau wurde nicht als ein Entwick-
lungsprozess verstanden, der Veränderungen unterliegt und in dem es sowohl
glückliche Phasen als auch krisenhafte Perioden geben kann. Weibliche Bedürfnisse
und Ansprüche spielten im Frauendiskurs keine Rolle. Die Frau wurde in Bezug auf
ihr Lebensglück über den Mann definiert: ihre eigene Zufriedenheit in der Ehe galt
in der Logik des Frauendiskurses als garantiert, wenn sie ihren Gemahl als vorbild-
liche Ehefrau glücklich machte.50 Andererseits wurden Ehefrauen dazu angehalten,
auch eine schlechte Behandlung durch ihren Gemahl geduldig zu ertragen und ihm
den schuldigen Gehorsam zu leisten. Schnell weist darauf hin, dass der Frauendis-
kurs die Rolle der Frau gerade darin definierte »sich selbst ständig zu kontrollieren
und zu disziplinieren, dem Ehemann aber alle Untugenden nachzusehen.«51 So the-
unterscheidet Schnell, Frauendiskurs (wie Anm. 45), S. 173 hinsichtlich der Funktion misogy-
ner Schriften unter Texten, »die eine generelle Frauenkritik als rhetorische Übung verstehen,
(...) die Frauenkritik als Teil einer ernstgemeinten allgemeinen Weltverachtung (contemptus
mundi) formulieren, (...) bei denen misogyne Äußerungen dem pastoraltheologischen Ziel die-
nen, Mönche in ihrer Askese zu bestärken oder allgemein zu Enthaltsamkeit und Virginität auf-
zurufen und Texte, die sich gegen Frauen wenden, weil sie vor Liebe warnen oder aber von Lie-
beskrankheit heilen wollen.«
46 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 171, S. 183.
47 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 166, S. 170. Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45),
S. 167 weist darauf hin, dass der Lrauendiskurs häufig in Sentenzenkommentaren und theolo-
gischen Summen der Hochscholastik geführt wurde, also stark theoretisch ausgerichtet war. Er
war besonders stark geprägt »von einigen wenigen spekulativ-dogmatischen Vorannahmen
(...), die gespeist sind aus Bibelstellen (z. B. Genesis 3,16: die Frau sei dem Mann untertan;
1. Kor. 11,3: der Mann ist das Haupt der Frau), aus naturphilosophischen Thesen (von der geis-
tigen und körperlichen Inferiorität der Frau) und aus theologisch-patristischen Sentenzen (der
Mann sei der geistige Führer der Frau).« Diese Theoreme wurden als unverrückbare Fakten hin-
genommen und ihre Berechtigung wurde deshalb nicht mehr angezweifelt. Schnell, Frauen-
diskurs (wie Anm. 45), S. 184.
48 Schnell, Frauendiskurs (wie Anm. 45), S. 171.
49 Schnell, Frauendiskurs (wie Anm. 45), S. 171. Die Verhaltensnormen entsprechen den oben
erläuterten Tugenden, die einer ehrenwerten Frau abverlangt wurden. Sie musste sich ihrem
Ehemann absolut unterordnen, schweigsam, freundlich, bescheiden und keusch sein.
50 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 175ff.
51 Schnell, Lrauendiskurs (wie Anm. 45), S. 184.