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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Rogge, Jörg [Bearb.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Babendererde, Cornell: Das Begängnis einer Fürstin als öffentliches Ereignis. Zum Tod der Gräfin Margarethe von Henneberg (†13. Februar 1509)
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0309

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Cornell Babendererde

und der Seelmesse am nächsten Morgen. Auch die weiteren Bestandteile einer
Begräbnisfeier wie die Prozession, das Messopfer und die Absolution, nun aller-
dings an einer Scheinbahre (absente cadavere), denn der Leichnam war schon begra-
ben, wurden am Dreißigsten wiederholt. Dass der Dreißigste noch einmal wie auch
die späteren Anniversarfeiern an die vorangegangene Bestattung anknüpfte, führt
vor allem die Verwendung einer Scheinbahre vor Augen.4
Demonstrierte das Begräbnis das Ende der irdischen Präsenz des Körpers im
Diesseits, so war mit Ablauf des Dreißigsten eine Zäsur erreicht, die die Rechtsstel-
lung des Toten betraf: Rechtliche Ansprüche wie Schulden, die der Verstorbene
gehabt hatte, sowie sein Nachlaß waren erst nach dem Dreißigsten fällig.5 So fielen
mehrere Aspekte beim Begehen des Dreißigsten zusammen: Die Sorge um das See-
lenheil für den Verstorbenen durch Gebete, das gemeinschaftliche Beisammensein
beim Leichenschmaus, die Übergabe des Nachlasses an den Erben und die Reprä-
sentation der Stellung des Verstorbenen innerhalb der Gesellschaft.6
Die Anwesenheit der einzelnen Stände der Herrschaft sowie verwandter und
verbündeter Fürsten bzw. deren Fürstenbotschaften waren bei einem fürstlichen
Begängnis unerläßlich. Der Stand des Verstorbenen wurde durch eine entspre-
chende Symbolik und Zeremonien vermittelt, wenn zum Beispiel die Wappen,
Pferde, Turnierwaffen und Amtszeichen des Verstorbenen im Leichenzug mitge-
führt wurden. In vielen Fällen erhielt die Grabeskirche das Heergewäte7 8 des ver-
storbenen Fürsten: ein wertvolles Pferd in voller Rüstung, seinen Harnisch und
seine Waffen.5 Die Übergabe dieses im Spätmittelalter als fürstliche Herrschafts-

4 Diese Scheinbahren, auch als Trauergerüst bezeichnet, besaßen ursprünglich eine rein liturgi-
sche Funktion: In Abwesenheit des Leichnams wurde an ihnen während der Trauerfeier die
Absolution für den Verstorbenen erteilt; dazu Braun, Liturgisches Handlexikon (wie Anm. 1),
S. 138, Arnold Angenendt, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Totenmemoria, in:
Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (Münster-
sche Mittelalter-Schriften; 48), hg. von Karl Schmid/Joachim Wollasch, München 1984,
S. 161 f. Die Scheinbahre stand damit stellvertretend für den Toten. Hinzu kam die profane
Funktion der Auszeichnung des gesellschaftlichen Standes, den der Verstorbene zu Lebzeiten
inne gehabt hatte; vgl. zu den Trauergerüsten Michael Brix, Trauergerüste für die Habsburger
in Wien, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 26, 1973, S. 208-265, Liselotte Popelka,
Trauergerüste. Bemerkungen zu einer ephemeren Architekturgattung, in: Römische Historische
Mitteilungen 10,1966/67, S. 190 ff. zu den Ursprüngen.
5 Homeyer, Der Dreissigste (wie Anm. 1), S. 115 ff., S. 200.
6 Ebda., S. 266.
7 Dem Sachsenspiegel zufolge waren dies Schwert, das beste Streitroß samt Sattel, der beste Har-
nisch, ein Heerpfühl (d. h. ein Feldbett mit Kissen und Laken) und eine Tischdecke, zwei Schüs-
seln und ein Handtuch; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhand-
schrift Cod. Guelf. 3.1. Aug. 2E, hg. von Ruth Schmidt-Wiegand, Berlin 1993, Textband,
I. Buch, Kap. XXII, fol. 16 verso; vgl. Andreas Heusler, Institutionen des Deutschen Pri-
vatrechts II, Leipzig 1886, S. 617. Die Rüstung galt als Sondervermögen, die ursprünglich beim
Tod des Mannes an den nächsten männlichen Blutsverwandten fiel und diesen zur Blutrache
verpflichtete. Im Laufe des Spätmittelalters wurde das Heergewäte zunehmend zum Inbegriff
einer Vermögensmasse, die erbrechtlich weiterhin separat behandelt wurde, nun aber spezi-
fisch-männliche Gebrauchsgegenstände umfaßte; Hubert Drüppel, Art. >Heergewäte<, in:
Lexikon des Mittelalters 4, München/Zürich 1989, Sp. 2007.
8 So im Testament Landgraf Wilhelms II. von Hessen von 1506 und 1508: Harnisch, Banner und
drei seiner besten Hengste, gesattelt und gezäumt, sollte die Elisabethkirche während der Feier
des Dreissigsten erhalten. Aber auch der Kaiser wurde mit einem Teil des Heergewätes bedacht:
 
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