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B) Regiones
Das Wunder wird zwar mit der Nennung des Besuchs Theoderics bei König Edu-
ard dem Bekenner explizit in die angelsächsische Zeit verlegt, Gosclin betont aber den-
noch, dass es sich hier um ein Wunder der Gegenwart handelt; am Ende nimmt er den
Gedanken der Aktualität nochmals auf/"^ Diese Verbindung zur Gegenwart ist sehr
wichtig für den Hagiographen, denn er möchte den Wahrheitsgehalt seines Berichts mit
zwei weiteren Strategien verbürgen: Zum einen erwähnt Goscelin die noch lebenden
vertrauenswürdigen Augenzeugen, die das Wunder selbst miterlebt hätten, daneben
sei die Geschichte schon so weit verbreitet, dass man sie sogar in der Volkssprache auf-
geschrieben habe/"^ Zum anderen führt er mit den damals regierenden Herrschern
hochrangige Personen zur Authentisierung an, die sogar Handelnde innerhalb der
Wundergeschichte sind: Der Verfluchte hielt sich nicht nur bei Eduard dem Bekenner
auf, sondern der cZinslianissHMMS impemlor Hezzz z'czzs versuchte zweimal persönlich, den
Fluch vor Ort in Sachsen zu brechen; über das Schicksal der Verfluchten weinte der
Kaiser/"" Schließlich bezieht sich der Hagiograph auf einen Brief des Bischofs Bruno von
Toul, den - wie auch Goscelin weiß - späteren Papst Leo IX/"^ Diese Kontextualisierung
dient nicht nur der Authentisierung, sondern verbindet zudem das königsnahe Kloster
Wilton, wo mit der Heiligen Edith eine Königstochter Wunder wirkte, mit den einfluss-
reichsten Herrschern der Gegenwart, wobei dem Kaiser als der weltlichen Spitze der
Christenheit eine besonders prominente Rolle zugewiesen wird. Überdies: In der Dar-
stellung Goscelins konnte selbst Kaiser Heinrich den Fluch nicht aufheben, dies gelang
nur der heiligen Edith von Wilton.
Goscelin entfaltet die Legende des Tanzes von Kölbigk vor allem deshalb so aus-
führlich, um die Glaubwürdigkeit der Wunderheilung mit unterschiedlichen Strategien
zu demonstrieren. Dabei verwendet er traditionelle Strategien wie die Wiedergabe der
Erzählung in wörtlicher Rede des Geheilten oder die Erwähnung von Augenzeugen.
Zur weiteren Steigerung der Glaubwürdigkeit kommt der argumentativen Nutzung
von Bezügen zum ostfränkisch-deutschen Reich eine bedeutsame Rolle zu. Die präzise
Nennung von Orts- und Personennamen sowie die Einbeziehung von Papst, Kaiser und
englischem König in die Erzählung selbst sollten der Wundererzählung weiteres Ge-
wicht geben und ihre Authentizität unterstreichen. Diese Geschichte wurde später von
William von Malmesbury ohne Verweis auf Wilton, sondern mit Erzbischof Heribert
von Köln als Akteur, der den Fluch gelöst haben soll, neu und mit anderen Bezügen
zum ostfränkisch-deutschen Reich erzählt/"^
364 Vgl. Goscdm, Eransialio E4iÜ!ae, S. 265,266-267 und 292.
365 Vgl. GosceZm, Eransialio Ediiirae, S. 292.
366 Goscdaz, Eransialio Ediiirae, S. 290-292.
367 Vgl. GosceZm, Eransialio Edilirae, S. 267.
368 Die Geschichte spielt auch in der Saxonia, William gibt aber den Bericht eines Oi&erins mit
gänzlich anderem Ausgang wieder (Cap. II, 173-174), vgl. William non Maimes&nn/, Gesla Re-
gnm, S. 294-296.
B) Regiones
Das Wunder wird zwar mit der Nennung des Besuchs Theoderics bei König Edu-
ard dem Bekenner explizit in die angelsächsische Zeit verlegt, Gosclin betont aber den-
noch, dass es sich hier um ein Wunder der Gegenwart handelt; am Ende nimmt er den
Gedanken der Aktualität nochmals auf/"^ Diese Verbindung zur Gegenwart ist sehr
wichtig für den Hagiographen, denn er möchte den Wahrheitsgehalt seines Berichts mit
zwei weiteren Strategien verbürgen: Zum einen erwähnt Goscelin die noch lebenden
vertrauenswürdigen Augenzeugen, die das Wunder selbst miterlebt hätten, daneben
sei die Geschichte schon so weit verbreitet, dass man sie sogar in der Volkssprache auf-
geschrieben habe/"^ Zum anderen führt er mit den damals regierenden Herrschern
hochrangige Personen zur Authentisierung an, die sogar Handelnde innerhalb der
Wundergeschichte sind: Der Verfluchte hielt sich nicht nur bei Eduard dem Bekenner
auf, sondern der cZinslianissHMMS impemlor Hezzz z'czzs versuchte zweimal persönlich, den
Fluch vor Ort in Sachsen zu brechen; über das Schicksal der Verfluchten weinte der
Kaiser/"" Schließlich bezieht sich der Hagiograph auf einen Brief des Bischofs Bruno von
Toul, den - wie auch Goscelin weiß - späteren Papst Leo IX/"^ Diese Kontextualisierung
dient nicht nur der Authentisierung, sondern verbindet zudem das königsnahe Kloster
Wilton, wo mit der Heiligen Edith eine Königstochter Wunder wirkte, mit den einfluss-
reichsten Herrschern der Gegenwart, wobei dem Kaiser als der weltlichen Spitze der
Christenheit eine besonders prominente Rolle zugewiesen wird. Überdies: In der Dar-
stellung Goscelins konnte selbst Kaiser Heinrich den Fluch nicht aufheben, dies gelang
nur der heiligen Edith von Wilton.
Goscelin entfaltet die Legende des Tanzes von Kölbigk vor allem deshalb so aus-
führlich, um die Glaubwürdigkeit der Wunderheilung mit unterschiedlichen Strategien
zu demonstrieren. Dabei verwendet er traditionelle Strategien wie die Wiedergabe der
Erzählung in wörtlicher Rede des Geheilten oder die Erwähnung von Augenzeugen.
Zur weiteren Steigerung der Glaubwürdigkeit kommt der argumentativen Nutzung
von Bezügen zum ostfränkisch-deutschen Reich eine bedeutsame Rolle zu. Die präzise
Nennung von Orts- und Personennamen sowie die Einbeziehung von Papst, Kaiser und
englischem König in die Erzählung selbst sollten der Wundererzählung weiteres Ge-
wicht geben und ihre Authentizität unterstreichen. Diese Geschichte wurde später von
William von Malmesbury ohne Verweis auf Wilton, sondern mit Erzbischof Heribert
von Köln als Akteur, der den Fluch gelöst haben soll, neu und mit anderen Bezügen
zum ostfränkisch-deutschen Reich erzählt/"^
364 Vgl. Goscdm, Eransialio E4iÜ!ae, S. 265,266-267 und 292.
365 Vgl. GosceZm, Eransialio Ediiirae, S. 292.
366 Goscdaz, Eransialio Ediiirae, S. 290-292.
367 Vgl. GosceZm, Eransialio Edilirae, S. 267.
368 Die Geschichte spielt auch in der Saxonia, William gibt aber den Bericht eines Oi&erins mit
gänzlich anderem Ausgang wieder (Cap. II, 173-174), vgl. William non Maimes&nn/, Gesla Re-
gnm, S. 294-296.