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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0067

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1. Politische Verflechtungen im spätstaufischen Reich

etwa nach Art der berüchtigten „Schneeball-" und „Schmetterlingseffekte". Somit musste
auch hier bei der Datenerhebung eine möglichst große Zahl von politischen Akteuren
berücksichtigt werden. Doch konnte dann eine größere Zahl von ihnen als netzwerkana-
lytisch irrelevant von der Modellbildung ausgeschlossen werden. Diese Relevanz bemisst
sich nach drei Faktoren.
Das erste Kriterium ist das am sozialen Rang grob zu bemessende Machtpotential
eines politischen Akteurs, das dessen grundsätzliches Vermögen, im Reichsnetzwerk aktiv
aufzutreten, determiniert.'^ So wurden die sechs Erzbischöfe des nordalpinen Reiches
allesamt in die Analyse einbezogen, von insgesamt 35 in der Datenbank dokumentierten
deutschen Bischöfen immerhin noch die Hälfte, nämlich 18, von fünf Reichsäbten kein
Einziger. Von insgesamt 15 Herzogen und Markgrafen wurde lediglich ein Fünftel von
der Analyse ausgeschlossen, von insgesamt 58 systematisch erfassten Grafenfamilien
hingegen 35 (= 60 %). Eingang in die Materialsammlung fanden ferner acht Städte'
und vier edelfreie Familien/^ von denen aber nur Lübeck und die Herren von Lippe
schlussendlich im Netzwerkmodell auftauchen.
Die zwei anderen Kriterien sind zum einen die Vorkommenshäufigkeit der Akteure
in der Datenbank'^ und zum anderen ihre Beteiligung an konfliktischen Dyaden, wel-
che für den hier verwendeten Algorithmus der Clusteranalyse von zentraler Bedeutung
sind.164 Beide Kriterien ermöglichen es, einige minder mächtige Akteure „aufzuwer-
ten" und umgekehrt verschiedene Reichsfürsten aus der Analyse auszuschließen. So
beteiligten sich einige (geographisch gesehen) randständige Herzoge nur wenig an der
Reichspolitik, übten also auch nur wenig Einfluss auf sie aus. Die Herzoge von Pommern
zum Beispiel tauchen bis 1235 nur insgesamt zehnmal in der Datenbank auf und zwar
stets in positiv oder neutral gesetzten Dyaden. Sie konnten bei der Analyse unberücksich-
tigt bleiben. 165 Dasselbe gilt auch für zahlreiche Bischöfe, etwa den von Augsburg, der
160 Siehe dazu oben S. 29f.
161 Nämlich Erfurt, Köln, Lübeck, Regensburg, Speyer, Straßburg, Ulm und Worms.
162 Es sind dies die Herren von Lippe, deren Bedeutung als wichtiger Machtfaktor im westfäli-
schen Raum unbestreitbar ist (wie im Kap. 2 weiter auszuführen ist), weiterhin die Herren
von Hohenlohe, die mit Kaiser Friedrich II. in enger Verbindung standen. Vgl. zu Letzteren
insbes. GERD WUNDER, Gottfried, Konrad und Heinrich von Hohenlohe. Gebrüder, Edelherren
in Franken und Diener des Kaisers (1. Hälfte 13. Jahrhundert), in: DERS., Bauer, Bürger, Edel-
mann: ausgewählte Aufsätze zur Sozialgeschichte. Festgabe zu seinem 75. Geburtstag, Bd. 2:
Lebensläufe (Forschungen aus Württembergisch Franken, 33), Sigmaringen 1988, S. 23-44
(zuerst: 1969), sowie GERHARD LuBicH, Der Aufstieg der Hohenlohe zu Territorialherren
im Taubergrund. Die Herrschaftsbildung eines Edelfreiengeschlechts im 13. Jahrhundert,
in: FERDINAND KRAMER / WILHELM STÜRMER (Hgg.), Hochmittelalterliche Adelsfamilien in
Altbayern, Franken und Schwaben (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschich-
te, 20), München 2005, S. 563-589. Als Dritte kommen die Herren von Lobdeburg hinzu -
fränkisch-thüringische Dynasten, deren überregionale Bedeutung (vermittelt über den von
ihnen besetzten Bischofsstuhl von Würzburg) KARL BoRCHARDT, Die Herren von Lobdeburg,
in: KRAMER / STÜRMER (Hgg.), Adelsfamilien, S. 473-506, herausgearbeitet hat. Mit Blick allein
auf den mitteldeutschen Raum wurden ferner noch die Vögte von Weida erfasst.
163 Die Vorkommenshäufigkeit in der Datenbank steht in Verbindung mit der netzwerkanaly-
tischen Maßzahl des Degree, also der Anzahl von direkten Kontakten, die ein Akteur zu
anderen Akteuren hat. Ein niedriger Degree impliziert i.d.R. eine geringe netzwerkanalytische
Bedeutung des Akteurs (siehe oben S. 26 und Anm. 51).
164 Da nach dem Konzept der strukturellen Balance den negativen Dyaden die strukturbildende
Kraft bei der Einteilung des Netzwerkes in Cluster zukommt, ist auf ihr Auftauchen immer
ein besonderes Augenmerk zu richten, siehe oben Kap. 1.2.3.
165 Dasselbe gilt für den Herzog von Lothringen, wenngleich er im Westen des Reiches wiederholt
 
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