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ZWEI ANTIKE FRAUENBILDNISSE
IN DER SKULPTURENSAMMLUNG ZU DRESDEN
von
PAUL HERRMANN
Der Marmorkopf, den wir auf Tafel I abbilden, gehört zu der großen
Sammlung alexandrinischer Altertümer, die als Stiftung Ernst von
Sieglins kürzlich in den Besitz der Skulpturensammlung gelangte. Ihrem
weit überwiegenden Bestände nach Werke der Kleinkunst umfassend,
Vasen, Terrakotten, Figürchen aus Marmor u.a. m., die manchen bedeut-
samen Ausblick in die bodenständige alexandrinische Kunsttätigkeit und
die noch so wenig aufgehellte Kulturentwicklung Alexandrias eröffnen, ent-
hält die Sieglinsche Schenkung auch einige wenige Stücke der Großplastik:
den Torso einer lebhaft bewegten Satyrfigur und vier Marmorköpfe, von
denen der abgebildete an Kunstwert weitaus der bedeutendste ist und von
verschiedenen Riditungen her das Interesse auf sich sammelt.
Der Kopf ist ein Bildnis. Es sind nicht die ausgeglichenen Verhältnisse,
die klingenden Rhythmen der griechischen Idealplastik, die wir hier ver-
nehmen, sondern die Züge einer bestimmten Persönlichkeit sind bewußt
gesehen und mit sicherer Hand hingeschrieben. Das zeigt der feste, etwas
eigenwillige Umriß des Gesichts mit dem kräftig gebauten, scharf abgesetzten
Kinn, das zeigt der Mund mit dem fast herben Ausdruck der festgeschlosse-
nen Lippen, und das zeigt endlich am deutlichsten die Bildung der Nase. In
der Vorderansicht unserer Tafel ist deren charakteristische Form nicht klar
zu erkennen, von der Seite aber sieht man trotz der Verletzung an der
Spitze deutlich, daß der Nasenrücken, von der Stirn aus stark vorspringend,
nicht nur im ganzen in leichter Krümmung verlief, sondern daß diese Krüm-
mung in der Mitte, wo das Nasenbein sich gegen die Weichteile absetzt,
noch durch einen besonderen Formenakzent betont war. Das Haar ist im
Marmor nur flüchtig angelegt und steht mit dieser andeutenden Behänd^
lungsweise gegen die bis ins einzelne gehende Durchführung der Gesichts-
formen in einem starken Gegensatz, den wir in seiner malerischen Wirkung
als sehr reizvoll empfinden, der aber kaum beabsichtigt und ursprünglich
ist. Die Gründe für diese Erscheinung sind später zu erörtern. Bei dem
jetzigen Zustande des Kopfes sieht es so aus, als habe die Frau, die hier
im Bildnis festgehalten wurde, das Haar in einfacher, schlichter Anordnung
getragen, in der Mitte gescheitelt und in weichen Wellen zur Seite ge-
strichen, aus denen sich zwei kurze Löckchen loslösen und auf die Schläfen
legen. Wie die Frisur sich nach hinten fortsetzte, bleibt unklar, da der
ganze hintere Teil des Kopfes, von der Mitte der Ohren an, fehlt.

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