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EIN KLAGENFURTER EMPIRE-SCHRANK
von
KARL BERLING
Folnesics hat in seinem Buche überlnnenräume und Hausrat der Empire-
und Biedermeierzeit in Österreich = Ungarn'> nicht nur die Eigenart
dieser beiden Stile in treff lieber Weise charakterisiert, sondern auch die hohe
Bedeutung Wiens für das Kunstgewerbe, besonders für das Möbel der da-
maligen Zeit, gebührend hervorgehoben. Nach ihm kommen zwar verschie-
deneEinflüsse zur Geltung, und zwar der auf das Nüchterne und Praktische
zielende englische Geschmack, der am Beginn dieser Periode leicht zu spüren
ist, dann wieder mehr zurücktritt, um im Biedermeier zur eigentlichen Herr-
schaft zu kommen, sowie außerdem und vor allem die aus dem Louis XVI.
sich entwickelnde französische Richtung. Es war dies eine Reaktion gegen
dieWillkür und gegen den Zwang, den die Rokokoperiode mit ihrem Hang
zur geschwungenenLinieden Eigenschaften des Holzes angetan hatte. Unter
Zurückgreifen auf antikisierende Motive bevorzugte man nunmehr die gerade
Linie, das Brettartige, die scharfe Ecke und suchte das steife, magere Wesen
der Möbel durch Hinzufügen von Bronzebeschlägen zu mildern.
In Frankreich, das damals in allen Geschmacksfragen tonangebend war,
wurde der erste Schritt zu dieser Änderung getan. Von hier ging dieser
neue Stil nicht nur aus, sondern die Großen der anderen Kulturländer
deckten auch zunächst in Paris ihren Bedarf an besseren Möbeln. Hierdurch
und durch verschiedene Abbildungswerke, in denen französische Tischler
ihre Arbeiten veröffentlichten, wurde diese Art auch in Deutschland und
Österreich bekannt, und von den einheimischen Tischlern zum Teil mit
Glück nachgeahmt.
Auf eine solche Arbeit soll hier hingewiesen werden. Es ist dies ein
im Besitze des Prinzen Johann Georg befindlicher Empire = Schreibschrank
<siehe die Abbildung> von seltener Schönheit, der seit 1907 dem Dresdner
Kunstgewerbemuseum leihweise überlassen ist. In seinem architektonischen
Aufbau zeigt er eine auch sonst ähnlich vorkommende Form. Sein unterer
Teil birgt hinter einer großen Flügeltür drei Schiebladen, während der obere
mittels einer zum Schreiben zu benutzenden Platte geschlossen wird. Die
von größeren und kleineren Schiebladen umgebene Mitte des dahinterlie-
genden Oberteils ist mit Spiegeln ausgesetzt, vor denen vier mit jonischen
Bronzekapitälen versehene Alabastersäulen stehen. Die Außenseite ist mit
dem warmen, rotbraunen Mahagonifournier überzogen und zeigt Klauen-
füße in Bronze, sowie an den Pilastern, in den flachen Gliederungen, als

’> Wien 1903 bei A. Schroll ® Co.

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