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AUS DEM MUSEUM DER BILDENDEN KÜNSTE
IN LEIPZIG
von
JULIUS VOGEL
Der Leipziger Kunstverein konnte im November 1912 auf ein fünfund-
siebzigjähriges Bestehen zurückblicken. Die aus diesem Anlaß ver-
anstaltete Jubiläumsausstellung, die eine große Anzahl auserlesener Werke
der modernen Malerei und Plastik umfaßte, wurde auch für das Museum
der bildenden Künste, in dessen Erdgeschoß der Kunstverein eine würdige
Stätte gefunden hat, von besonderer Bedeutung, weil in kunstsinnigen
Kreisen der Leipziger Bürgerschaft eine ansehnliche Summe gesammelt
worden war, die für Ankäufe für das Museum Verwendung gefunden hat.
So ist der Kunstverein vom ersten Tage seines Bestehens bis auf die Gegen-
wart seinem Hauptziele treu geblieben, das nicht nur die Förderung von
Interesse und Verständnis an Werken der bildenden Künste im Sinne
seiner Mitglieder, sondern ein weiteres, höheres Ziel außerhalb der eigent-
liehen Vereinsbestrebungen im Auge hatte, nämlich die Gründung eines
städtischen Museums, dem seine Tätigkeit in einem ganz besonders her-
vorragenden Maße gelten sollte. Diese hinter uns liegenden fünfund-
siebzig Jahre Leipziger Kunstpflege bedeuten in der Geschichte der Stadt
ein wichtiges Kapitel, dessen Kenntnis eine unbedingte Voraussetzung für
die Beurteilung der Leipziger Verhältnisse ist. Hier mögen nur folgende
Tatsachen angeführt sein. Da die Gründung des Museums eine Tat des
Kunstvereins war, so lag auch die Verwaltung des Instituts, und zwar bis
zum Jahre 1848, ausschließlich in seinen Händen. In diesem Jahre wurde
das »Museum«, mit damals 35 Ölgemälden und 30 Zeichnungen und Aqua-
rellen, von der Stadt übernommen und bis auf weiteres in der ersten Bür-
gerschule untergebracht. Vorläufig blieb auch die Verwaltung des Museums
beim Kunstverein. An die Errichtung eines eigenen Gebäudes konnte die
Stadt erst nach dem Tode Heinrich Schietters im Jahre 1853 denken. Dieses
Gebäude, der Mittelbau des jetzigen Museums, war 1858 vollendet: erst
seit diesem Jahre kann man in Leipzig von einem »Museum« reden, nicht
nur soweit das Gebäude, sondern auch soweit seine Schätze in Frage kom-
men, die ihren Grundstock durch das reiche Schlettersche Vermächtnis er-
hielten. Die Erwerbungen, deren sich das junge Institut zu erfreuen hatte,
setzen sich im wesentlichen zusammen aus Vermächtnissen, zu denen außer
den Schätzen der Schletterschen Stiftung namentlich wertvolle alte Nieder-
länder gehören, Geschenken, bei denen man manches LInbedeutende und
Minderwertige mit in Kauf nehmen mußte, und den Ankäufen, die der

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