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DAS BILDNIS DES SIRE DE MORETTE
IN DER GEMÄLDEGALERIE ZU DRESDEN
von
PAUL GANZ
Hans Holbeins Bildnis des Morette gehört einer Gruppe von Werken
der Spätzeit des Meisters an, die sich durch das bewußte Betonen der
momentanen Erscheinung und durch eine stärkere malerisdre Auffassung
kennzeichnen. Das satte Schwarz der mit dunklem Pelz verbrämten Kleidung
und das dunkle Grün des Hintergrundes bilden eine für Holbein unge-
wöhnlich tiefe Gesamtfärbung, aus der das Gesicht des Dargestellten in
lebendiger Helligkeit herausleuchtet. Die massigen Töne sind von leuch-
tender Farbenpracht und einem reichen, satten Glanze/ sie werden belebt
durch die Musterung des Vorhangstoffes, durch die zierliche, kaum sichtbare
Broderie des Kleides und ein Spiel der Reflexlichter, das mit einer wunder-
baren Schärfe bis in die feinsten Abstufungen wiedergegeben ist. Die
hellsten Farbflecke, weiße Puffen an den Unterärmeln und Manschetten,
reichen in ihrer Wirkung nicht bis in die obere Hälfte des Bildes, in der das
Gesicht dominiert und alles Interesse auf sich zieht. Das sparsam verteilte
Gold der Schmudcstücke und der Knöpfe leuchtet aus dem Dunkel auf wie
ferner Lichtschein, der belebt und bereichert ohne die Stimmung zu stören.
In seiner technischen Ausführung steht das Bildnis auf der Höhe von
Holbeins Können,- der Auftrag der Farbe ist dünn und flüssig, aber kräftig
leuchtend und von emailartiger Stärke. Die Klarheit der Farben geht bis
in die tiefsten Schatten hinein und läßt die in der Lokalfarbe abgestufte
Modellierung zu einer plastischen Wirkung gelangen ohne Schaden für den
malerischen Eindruck. Auch die raffinierte, haarscharfe Wiedergabe jedes
einzelnen Gegenstandes wirkt nicht störend, sondern bereichert in wunder^
barer Weise die Darstellung. Mit der Sachkenntnis des Fachmannes unter-
scheidet Holbein die Qualität der Stoffe, Samt und Seide, Leinen und
das weiche Handschuhleder,- er malt den Dolch, ein Prunkstück aus ge-
triebenem und durchbrochenem Metall anders, als die in Emailarbeit aus-
geführte Agraffe am Barett, auf der die Figur Johannes des Täufers und
die eingravierte Umschrift »DOGE ME FACERE VOLVNTATEM
TVAM« in matter Färbung kaum zu erkennen sind. Die goldenen Knöpfe
des Wamses mit dem hochgeschnittenen, aus zwei M gebildeten Muster
haben ein massives Aussehen,- man fühlt, daß ihr Gewicht in der Hand
größer wäre als der ganze Haufen der leichten, innen hohlen Ware, die als
modischer Schmuck auf das Barett und die Ärmel des Kleides verteilt ist.
So genau ist HolbeinsNaturtreue, daß der einzelne Gegenstand jede Eigen-
schaft an sich hat, die das Auge am Original ersehen und ermessen kann,

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