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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

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Nr. 6
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Lehmann, Arthur: Architektur auf der Jubiläumsausstellung Mannheim 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.23633#0309
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VI
(MODERNE bauformen
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
6

ARCHITEKTUR AUF DER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG
MANNHEIM 1907
VON ARCHITEKT A. LEHMANN - MANNHEIM

Eine Handels- und Industriestadt, deren Hasten
und Treiben, deren rasselnde Maschinen den
Menschen wenig Ruhe gönnen, kommt plötzlich zu
dem Entschluss, der bildenden Kunst ein eigenes
Heim, eine ständige Pflegestätte zu schaffen. Ohne
viel Lärm zu machen, ohne langes Ueberlegen,
ohne erst das so gern beliebte Preisausschreiben
zu erlassen, erhält Professor Hermann Billing-
Karlsru he den Auftrag, einen Entwurf anzufertigen.
Die Skizzen und Modelle werden kurzerhand dem
Bürgerausschuss vorgelegt, das nötige Geld ebenso
rasch bewilligt und nach achtzehnmonatlicher Bau-
zeit wurde in dem Jahre der dreihundertjährigen
Gründungsfeierlichkeiten die neue Kunsthalle
mit einer internationalen Kunstausstellung, der sich
eine grosse Gartenbauausstellung anschliesst, er-
öffnet. V
V Die erste Anerkennung für das grandiose Werk,
das vielleicht einen Markstein in der Geschichte
unserer neuen Baukunst bedeuten wird, gebührt
also dem Stadtgeist, der in gesundem Empfinden
einem Künstler wie Billing rückhaltslos vertraut
hat. Billing selbst aber hat sich mit dem Werk
ein Denkmal gesetzt, in welchem er nun das künst-
lerische Vertrauen vollkommen rechtfertigte. V
V Ein Tempel der Schönheit ist erstanden, und
damit allein schon kennzeichnet sich die Bedeutung
dieses Bauwerks. Die Kunst war bis in die Zeiten
des letzten bewusst neuen Stiles so eng mit der
Religion verwachsen gewesen, dass es fast schien,
dieselbe Aufklärung, die die eine zerbrach, müsste
auch der anderen gefährlich werden. Die Archi-
tektur aber war noch nicht stark genug, um allein
gehen zu können, ie suchte sich in ihrer immer
weiter greifenden Verweltlichung krankhaft auf die
alten Formen zu stützen. Man verallgemeinerte
das Feierliche und erreichte, dass es gemein wurde.
Nun löst eine kraftvolle Natur alle Fesseln der
letzten Schule, die in starren Dogmen lehrte und

erstellt eine ganz neutrale Schöpfung, die nur dem
freien seelischen Genüsse dient, heilig in sich
selbst als Träger des Schönen. Allein das Mystische,
Unerklärliche aus dem Wesen der alten Kunst
gab die Ueberlieferung. In kalte Worte, wie
Symmetrie, Gleichgewicht der Massen, Gliederung,
Gruppierung, Silhouette, Farbe suchen wir das
Geistige des Kunstwerkes zaghaft zu fassen. Ver-
geblich mühen wir uns nach sprachlichem Aus-
druck für die Gesamterscheinung, für die einzelne
Form. Das sind Mauern aus Stein wie ehedem,
Dächer, die schützen, Fenster, die Licht spenden,
Türen, die uns empfangen wie überall, kein sel-
tenes ungewohntes Material, roter Sandstein wird
verwendet, kein neues technisches Problem wird
gelöst; und doch atmet jede Linie, jede Fläche,
jeder Körper dieses Baues neues, eigenartiges
Leben. Die Gesetzmässigkeit, die in jedem Kunst-
werk ruht, in der Baukunst findet sie ihre stärkste
Formulierung, die um so klarer wirkt, je abstrakter
die Form, je reiner der Rhythmus der Massen zu
uns spricht. Billings Schöpfung ist in ihrer äusseren
Erscheinung ein heller Spiegel ihres konstruktiven
Organismus, eine würdige Offenbarung ihres ernsten
Inhaltes. Ein Künstler redet in seiner ihm allein
eigenen Ausdrucksweise zu uns, ein grosser Wille,
dessen Allgemeingültigkeit vielleicht bezwei-
felt werden kann, dem sich aber der ästhetisch
fühlende Mensch nicht verschliessen wird. V
V Zum äusseren Bild muss sich der Raum
fügen. Was verlangen wir vom Inneren einer
Kunsthalle? Mit Gewalt drängt sich sofort die
Tragik des Schaffens unserer Maler und Bildhauer
auf, der Mangel jedes festen Verhältnisses zwischen
Kunst und Zweck, die Unmöglichkeit, eine innige
Verbindung zwischen Produzenten und Konsu-
menten herzustellen, weil sie vom Künstler nicht
erstrebt werden kann, da er im allgemeinen nicht
weiss, für wen oder für was das Werk, das er
 
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