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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 6.1907

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Nr. 6
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Lehmann, Arthur: Architektur auf der Jubiläumsausstellung Mannheim 1907
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219

Architektur auf der Jubiläumsausstellung Mannheim 1907

eines Hoetger, die antike Ruhe und Schönheit
der bildhauerischen Werke eines Bourdelle sind
monumentale Motive seiner Raumgestaltung. Ernst
ist diese Kunst, voll dunkler Geheimnisse eines
ersehnten Ideals; wie eine heilige Stätte wirkt die
Vielheit dieser künstlerischen Willen in dieser
Einheit, wie Altäre die in die Putznischen ein-
gelegten Bilder. Das strenge Schwarz-weiss-Orna-
ment der vertieften Deckenkasetten, die starren
Dreiecke der Türüberdachungen, die glatten hellen
erhöhten Felder, die durch schmale Goldlinien
getrennt, und die in geometrischen Linien spielen-
den Möbel erhöhen die eigenartige Stimmung
dieses Raumes, zu welchem die Kunstwerke in
engste architektonische Beziehung treten. Es ist
eine vom vornehmsten künstlerischen Gefühl ge-
tragene Leistung, über die man nicht richten kann.
Man muss sie fühlen oder schweigen.
V Ein Riesenschritt zum Raum des Architekten
Rudolf Tillessen-Mannheim. Zwar führt er
weit, doch nicht bergab in dieser Ausstellung. Der
Vorsaal aus einem fürstlichen Hause wird gezeigt,
wodurch in die Reihe der absoluten Bilderräume
eine angenehme Abwechslung kommt. Ein grosses
dekoratives Gemälde Professor Ferdinand Kellers
sollte die Mitte der Hauptwand kräftig betonen,
doch nicht die Stimmung des Raumes ausschliess-
lich beherrschen. Es wurde leider aus mannig-
fachen Gründen nicht ausgeführt, ein ornamentales
Goldmosaik musste es in letzter Stunde ersetzen.
Die Möglichkeit dieser Ausbildung, die Verschmel-
zung der verschiedenen Material- und Farbenwerte,
die erreichte Wirkung beweist das hohe Können
des Raumkünstlers, den vornehmen Geschmack,
der den repräsentativen Porträts eines Propheter,
sowie den dekorativen Farbensymphonien eines
Ferdinand Keller vollkommen gerecht wird.
Nicht neue Formen, nicht neue Stimmungen treten
uns entgegen, ein wohl wägender Geist einer alten
reichen Kunst spricht aus der üppigen Kassetten-
decke, aus der interessanten Metalltechnik des Gold-
mosaik, aus der würdigen Gestaltung des Marmor-
kamines und der eingelegten Bronze, aus den sich
anfügenden weichen grünen Ledersesseln, aus der
gleichartigen echten Damastbespannung. Die Pracht
der Erscheinung des Raumes Tillessen vereinigt
sich unaufdringlich und wohltuend mit dem Cha-
rakter der Bilder. V
V Vielleicht die gleiche Richtung müssen wir zur
Raumkunst Professor Olbrichs einschlagen.
Olbrichs Gefühl ist jedoch sensibler und zarter,
origineller im Ausdruck, eigenartiger in der Prägung
der Gedanken. Er ist aber stets Architekt, der den
Raum körperhaft gestaltet, der ihm Bewegung gibt.

Nicht so die „Wiener Werkstätten“, die sich
in ihrem Raume mit einem vielleicht an sich ganz
geschmackvollen, aber hier prätenziös auftretenden
Primitivismus der Flächenbehandlung sowohl im
Profil als Ornament genügten. Man kann auch hier
nichtvon einer starken Betonung der Bildwirkung
sprechen, da diese fast als Schema, nicht als Indi-
vidualitätsleistung erscheint. V
V In diesem Sinne sind die Raumschöpfungen des
Architekten Otto Pru tsc h e r-W i en und des Ar-
chitekten Otto Rieth-Berlin aufzufassen. Prut-
scher hat es vor allem verstanden, eine aristokra-
tische Ruhe, eine gediegene persönliche Note für
die Gesamtstimmung zu finden, deren Eleganz auch
den kleinsten Gegenstand seines kunstgewerblichen
Schaffens körperlich und farbig erreicht. Mit dem
hellgrauen Ton seines Raumes erzielt er einen
wohnlichen Eindruck, in welchem sich besonders
die sicher aufgebauten, weichfarbigen Landschaften
Meister Dills selbständig und doch organisch zu-
sammenhängend einfügen. Otto Rieth hingegen
hat sein Programm schon erweitert, indem er den
gegebenen Ausstellungsraum zum Gemäldesaal
eines vornehmen Hauses stempelt. Die Stimmungs-
werte der Bilder zeigen eine reichere Skala, die
aber durch interessant in den Raum gestellte
Scherwände mit Sitzgelegenheit angenehm geglie-
dert ist. Die blaugraue Vertäfelung und Wand-
bespannung geben für Plastik und Malerei einen
sympathischen indifferenten Hintergrund, die Orna-
mentik, die Profile, die Schnitzereien atmen einen
modernen Geist. V
V Nun kommen die Maler und Bildhauer in ihrer
Raumkunst zu Wort, d. h. die Wand trägt nicht
mehr Allgemeincharakter, sondern wird zum Werk
nach Form und Farbe gestimmt. Professor Adal-
bert N i e m a y e r - M ü n c h e n weiss in seinem
braun-violetten Damast einen gewissen Uebergang
herzustellen, aber Professor Benno Becker-
München in seinem schwarzen, Professor Otto
Hierl-Deronco-München in seinem weinroten
Kabinett behandeln die Wand als wesentlichen
starken Klang, als Tonart in der Farbensymphonie
ihrer Bilder. Das Gold der Decke erst schliesst
die eigenartige, aber vornehme Melodie. V
\7 Was dem Maler die Fläche, ist dem Bildhauer
die Form. Um die Wirkung seiner Plastik der
Lichtquelle entsprechen zu lassen, variiert er die
Richtung der Wände, baut er Nischen. Bildhauer
C. A. Beermann-München ist hierin am wei-
testen gegangen und hat sogar die Wand bis zu
einer gewissen Höhe mit einem silbernen Ton über-
zogen, um die Materialien seiner Plastiken, Marmor,
Bronze, Holz stärker in die Erscheinung treten zu
 
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