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Anhang II

Die Bibliothek Tilmans van Gameren

Zu den weniger bekannten Bibliotheken Warschaus ge-
hörte die Bibliothek des Kapuzinerkonvents, die bis 1960
im Kloster an der Miodowa-Straße untergebracht war.1 In
der Mitte des vorigen Jahrhunderts einige Male erwähnt,
geriet sie später fast völlig in Vergessenheit: die Aufhe-
bung des Klosters im Jahre 1864 hatte eine Aufsplitterung
der Sammlung zur Folge.2 Erst in der Zwischenkriegszeit
erwachte im Rahmen der Forschungen zu Tilmans (Euvre
ein stärkeres Interesse an den einstigen Sammlungen der
Bibliothek.

Im Jahre 1938 veröffentlichte Tadeusz Makowiecki em
Verzeichnis mit einem guten Dutzend Büchern aus Til-
mans Besitz, die Jözef Chudek in den Beständen der
Warschauer Universitätsbibliothek gefunden hatteö Daß
die Bände aus der Kapuziner-Bibliothek in Warschau
stammten, besagte ihre Beschriftung, und dies deckte sich
mit dem Inhalt zweier vielsagender Glossen, mit denen die
Kapuziner die Pergament-Urkunde versehen hatten, in
der Tilman zum »Ritter vom Goldenen Sporn« ernannt
wurde und die sich heute in der Bibliothek der Warschauer
Universität befindet: »Hic Nobilis Dominus Tielman a
Gameren Ordini nostro singulariter addictus ante suum
Obitum Omnes Libros et Instrumenta Geometnae legavit
Nostrae Bibliothecae, ex quibus pauca hic inde disjecta de
facto repenuntur, caetera deperdita et plane ab aliquibus
non verentibus excommunicationem suspensam in porta
Bibliothecae saecularibus extradita contra mentem et vo-
luntatem p. d. Benefactoris« sowie »Hic Nobilis nobis
singulariter addictus Bibliothecam Nostram Varsavien-
sem praestantissimis Libris et Instrumentis Geometriae
ornavit. Serenissimo Augusto II Regi Poloniae petendi hos
libros / certe non gratis / fuerunt denegati. Et nunc jam
pauci reperiuntur«ö

Tadeusz Makowiecki gelang es allerdings nicht, zu der
Bibliothek der Kapuziner vorzudringen, und erst direkt
vor Kriegsausbruch hatte Zbigniew Rewski die Gelegen-
heit, diese Sammlung genau durchzusehen. Doch seine
Aufzeichnungen, die er bei der Durchsicht der Bücher auf
der Suche nach Tilmans Bibliothek machte, sind leider
dem Krieg zum Opfer gefallen. Nach dem Krieg veröf-
fentlichte Rewski, der die gesamte Bibliothek für verloren
hielt, im Bewußtsein ihres Wertes einen Aufsatz, in dem er
u. a. schrieb: »Heute, da die ganze Bibliothek des Kapuzi-
nerklosters zusammen mit der gesamten Sammlung Til-
mans im Jahre 1944 vollständig verbrannt ist und meine
Aufzeichnungen bereits 1939 verlorengingen, verdient sie
wenigstens in unserer Erinnerung erhalten zu werden«ü

So war denn auch meine Uberraschung groß, als ich im

Frühjahr 1960 erfuhr, daß die Bibliothek der Kapuziner,
die während des Krieges in den Kellern des Klosters
geborgen worden war, teilweise unversehrt geblieben ist.
Während ich Band für Band der ganzen Sammlung, die
heute ungefähr 6000 Werke umfaßt, durchsah, stieß ich
auf eme stattliche Anzahl durch Tilman signierter Bücher.
Eme Aufstellung, ergänzt durch die bereits früher von
Makowiecki veröffentlichten Titel und vervollständigt
durch neu identifizierte Werke in den Sammlungen der
Warschauer Universitätsbibliothek, in der Bibliothek der
Architektur-Fakultät des Warschauer Polytechnikums
sowie in der Hauptbibliothek der Universität in Posen,
füge ich unten als Verzeichnis A and Viele Bücher aus der
Kapuziner-Bibliothek scheinen, obwohl sie nicht von
Tilman sigmert smd, aufgrund lhres spezifischen Inhalts
oder der in Polen wenig bekannten holländischen Sprache
aus Tilmans Sammlung zu stammen. In der Uberzeugung,
daß ihre Provenienz unzweifelhaft ist, habe ich mich
entschlossen, 20 Titel im Verzeichnis B zu veröffentlichen.

Leider erfassen die beiden Verzeichnisse nicht alle der
emst bei den Kapuzinern aufbewahrten Bücher Tilmans.
Vor allem die wertvollsten, reich illustrierten Werke gin-
gen in der Mehrzahl verloren oder wurden in andere
Bibliotheken verstreut. Bei diesem Stand der Dinge ist es
heute mcht möglich, die Sammlung in lhrer Gesamtheit zu
rekonstruieren. Man kann es jedoch wagen, den Teil der
Bibliothek Tilmans zusammenzustellen, der den wichtig-
sten Bereich, also Architektur und Kunst, betraf. Denn im
Kapuzinerkloster erhielt sich ein genauer handschriftli-
cher Katalog der gesamten Konventsbibliothek, den der
Geistliche Edmund Andraszek im Jahre 1836 angefertigt
hatü Die Gliederung des Katalogs in Abteilungen verein-
facht es, die Titel in den Bereichen Architektur und Kunst
aus dem 16. und 17. Jahrhundert herauszufinden. Diese
Werke sind mit großer Wahrscheinlichkeit als Geschenk
Tilmans in das Kloster gelangt. Ein auf diesem Wege
verfaßtes Verzeichnis C füge ich an.

1 Im Laufe des Jahres 1960 verlegten die Kapuziner ihre Bibliothek in das
Kloster m Nowe Miasto n. Pilicq, wo die Zentralbibliothek des Ordens
in Polen entstand.

2 Die Bibliothek wird erwähnt u. a. von Balinski, 1840, S. 68-69 sowie
von Kurowski, 1949, S. 145. Zuletzt dazu Gadacz, 1984, S. 141-144.

3 Makowiecki, 1938-a, S. 137-139.

4 Warschau, Biblioteka Uniwersytecka, Ms.252. Siehe Makowiecki,
1938-a, S.138, 168-170. Die Forschungen von Jan Ludwik Gadacz
haben aufgedeckt, daß wahrscheinlich ein gelehrter Mönch aus Italien,
Pater Bernhard-Domenico Palazzeschi (1688-1708), der von 1699 an
1m Warschauer Kloster gelebt hat, Tilman dazu bewogen hat, seine
Bibliothek den Kapuzinern zu übereignen. Siehe Gadacz, 1984, S. 141.
 
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