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Müller, Hinrich
Die Brückenbaukunde in ihrem ganzen Umfange: ein Handbuch für Ingenieure und Baumeister (Band 3): Die Erbauung der steinernen Brücken — Leipzig, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.24551#0166
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Dreizehntes Capitel.

Anwendung der Spannbögen in den untern Etagen des Bauwerks; aber nicht
allein bei diesen, sondern auch noch bei mehrern andern größern Thalüber-
brücknngen finden wir gleichfalls die Spannbögen angewendet. Es gebt daraus
deutlich die Zweckmäßigkeit der Anordnung der Spanubögeu hervor; die Noth-
weudigkeit derselben läßt sich nun zwar daraus nicht ableiten, allein denken wir uns
einen solchen Viadnct, wie denjenigen über das Göltzschtbal mit durchgehenden
Pfeilern und einfacher Bogenstellnng, so ist es ganz natürlich, daß die Pfeiler,
sollen sie den durch die Erschütterung der darüber fahrenden Lasten entstehenden
Schwankungen Vorbeugen und Widerstand leisten, schon eine sehr bedeutende
Breite erhalten müssen; ferner aber dürfen die Bögen auch keine sehr bedeu-
tende Spannweite haben und müßten auch bedeutend überhöht sein, um möglichst
wenig Anlaß zu Schwankungen zu geben. Aber dennoch würden diese bei der
großen Höhe der Pfeiler nicht zu vermeiden sein und der baldige Ruin des
Bauwerks würde jedenfalls durch diesen Umstand herbeigeführt werden. Ohne
allen Zweifel würde man die Spannbögen ganz entbehren können, wenn man
den Horizontalschub des obersten Tragbogens anfheben konnte, so daß nur noch
der von der Last des Tragbogens herrührende Bertiealdrnck auf die Pfeiler wirkte.
Allein dies ist nicht möglich und würde man nur durch bedeutende Ueberhöhung
des Tragbogens im Stande sein, dessen Horizontalschnb zu vermindern.

Was nun ferner bei diesem Etagenbau vermieden werden muß, ist wie schon
oben angeführt wurde, die Anlage zu flacher Spanubögeu, indem diese einmal
einen zu bedeutenden Horizontalschub ausüben, lind sodann zum Einstürzen
weit eher geneigt sind, als solche Bögen, die sich mehr dem Halbkreise
nähern, indem bei jenen die rückwirkende Festigkeit der verwendeten Materialien
weit stärker in Anspruch genommen und daher in Folge der jedenfalls stattfin-
denden Erschütterung beim Uebergehen eines Zuges ein Zermalmen und Zer-
reiben der einzelnen Steine, wenn auch nur sehr langsam, hervorgerufen wird.

Ein Vortheil indeß, den der Etagenbau, so wie die Anwendung von Spanu-
bögen für die Pfeiler hoher Brücken außerdem noch gewährt, ist der, daß sich
bei beiden Anordnungen die Rüstungen für spätere Reparaturen leichter und
billiger Herstellen lassen. Dieser Vortheil ist zwar im Vergleich zu den Mehr-
kosten, welche eine solche Anordnung verursacht, sehr gering und verdiente, wenn
nur allein von diesem Vortbeil die Rede wäre, durchaus keine Berücksichtigung,
indem mau von vorn herein auf eine viel einfachere Weise die Anordnungen
treffen könnte, um später eine leichte Berüstuug der Pfeiler herzustellen, und
zwar durch Eiumaueru starker eiserner Haken, ans welche dann später die Rüst-
brettcr gelegt werden könnten. Allein unter den obwaltenden Umständen ist,
da die Spannbögen jeder Etage zugänglich sind und somit jederzeit eine
Untersuchung des Bauwerks in allen seinen Theilen vorgenommeu werden kann,
der durch diese Anordnung gleichzeitig mit erlangte Vortheil einer leichtern
Berüstnng bedeutend genug, um erwähnt zu werden.

Truck von A. C. Cato in Meißen.
 
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