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Stempel QIVFS (retro) auf das Jahr 161 datie-
ren188. Unter den Sigillaten befinden sich sechs fast
vollständig erhaltene Teller der Form Dr. 18/31 mit
Stempeln, die einerseits z. B. nicht mehr mit Sicher-
heit in dem unter Hadrian aufgelassenen Erdkastell
der Saalburg vorkommen, aber andererseits auch
dem Ende des 2. Jahrhunderts fremd sind189. Die
frühe Tassenform Dr. 27 ist nicht mehr vertreten,
Urmitzer Ware des ausgehenden 2. Jahrhunderts
fehlt jedoch unter der großen Masse des üblichen
Gebrauchsgeschirrs noch vollständig. Der Inhalt des
Kellers gehört also grob gesagt einheitlich in das
3. Viertel des 2. Jahrhunderts. Andere Befunde der
Grabung, die mit dem Brandhorizont in Verbindung
stehen, vermögen diese Datierung zu bestätigen.
Sucht man nach einem Ereignis, mit dem man die
Zerstörung des Altenstädter Kastells in den fragli-
chen Jahren in Verbindung bringen kann, dann bie-
ten sich eigentlich nur die Übergriffe der Chatten an,
gegen die, wie wir allerdings nur den Viten entneh-
men, im Jahre 162 Aufidius Victorinus und in der
zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts als Legat der
22. Legion Didius Julianus einschreiten mußten190.
Es wäre dies, soweit ich sehe, das erste Mal, daß sich
der Niederschlag dieser germanischen Einbrüche ins
Limesgebiet auch in den Bodenfunden feststellen
ließe, und man sollte in Zukunft bei Grabungen an
anderen Kastellorten im Wetteraugebiet auf eine
solche Möglichkeit achten. Das schließt jedoch nicht
aus, daß andere Kastelle damals noch gar nicht be-
troffen wurden, sondern erst später. So möchte Fran-
ke aus den Schatz- und Hortfunden der Saalburg und
des Zugmantels für diese beiden Kastelle eine erste
Zerstörung um 185—187 erschließen191, was L. und
H. Jacobi ähnlich schon für einen Keller am Zug-
mantel angenommen hatten192. Für Butzbach vermu-
tet Müller, daß in jenen Jahren zwischen 180 und
190 die Besatzung durch eine Hilfstruppe verstärkt
wurde und man daher das Lager nach Süden zu um
rund 35 m vergrößerte193.
In Altenstadt wurden, wie schon S. 95 gesagt, die
Baracken im Innern des Kastells nicht mehr in der
alten Art hergestellt, und vielleicht hängt auch die
Vorblendung der Mauer zwischen Westtor und nord-
westlichem Eckturm und der Stützpfeiler mit der vor-
hergegangenen Zerstörung zusammen. Wohl läßt
eine noch spätere Brandschicht darauf schließen, daß
das Kastell erneut empfindlich betroffen wurde und
zwar vermutlich in den zwanziger oder dreißiger
Jahren des 3. Jahrhunderts. Da die oberen Kastell-
schichten jedoch sehr stark verwühlt waren, konnte
ich keine genaueren Feststellungen treffen. Müller
(S. 41) rechnet damit, daß das Butzbacher Kastell im

Jahre 213 zum erstenmal vernichtet wurde und 233
als selbständiger Truppenstandort aufgegeben und
nur noch in den Kämpfen der nachfolgenden Jahr-
zehnte einmal vorübergehend um 250 besetzt wor-
den ist. Franke hat aus den Münzen der Saalburg
gefolgert, daß der Feind dieses Kastell um 232/33
zerstört habe. Aus Altenstadt kennen wir noch eine
Inschrift aus dem Jahre 242, die genio collegi iuven-
tutis Cons . . . geweiht ist (CIL. XIII 7424). Wir hat-
ten seinerzeit daraus den Schluß gezogen, daß damals
eine waffenfähige junge Mannschaft vorübergehend
zur Unterstützung nach Altenstadt abgeordnet wor-
den sein könnte194. Wie lange das Kastell nach 242
noch bestand, läßt sich nicht genau bestimmen.
Mögen einige der eben angegebenen Daten — es
handelt sich ja nur um solche, die in Verbindung mit
neueren Grabungen oder Arbeiten erwähnt werden
— vielleicht auch zu präzis formuliert sein, so stehen
doch alle diese Beobachtungen in Zusammenhang mit
dem allmählichen Abbröckeln der geschlossenen
rechtsrheinischen Limeslinie in diesen Jahren. Was
man beispielsweise aus den sehr großen und aussage-
kräftigen Münzreihen von der Saalburg190 und vom
Zugmantel196 ablesen kann, ist die Agonie, in der
sich das ganze rechtsrheinische Limesgebiet seit Se-
verus Alexander befindet. Es ist aber meines Erach-
tens nicht möglich, den »Limesfall« auf ein eng be-
grenztes Datum festzulegen. Sicher vollendete er sich
bald nach der Mitte des 3. Jahrhunderts, aber ich
möchte es mit Schleiermacher197 offen lassen, ob die
Jahre 253/54 oder 259/60 das eigentliche Ende des
rechtsrheinischen Limes bezeichnen. Es scheint viel-
mehr so gewesen zu sein, daß einige Kastelle je nach
ihrer Lage und Bedeutung früher, andere etwas spä-
ter aufgegeben wurden. Freilich gibt es von ein paar
Kastellorten oder aus ihrer näheren Umgebung auch
188 Für freundliche Hilfe habe ich E. Thevenot, Neuilly-
sur-Seine, zu danken.
189 Töpferstempel: Lucupec, Boudus f, Verecund (zweimal),
Maccono f, Mainius.
100 P. v. Rohden, RE. I 2293; E. Ritterling, Fasti des rö-
mischen Deutschland (1932) 74, 94; W. Zwicker, Studien zur
Markussäule (1941) 53, 221; W. Schleiermacher, 33. Ber. RGK.
1943-50 (1951) 147.
191 Saalburg-Jahrb. 15, 1956, 11 ff. und 19 oben. Dort muß
es S. 13 oben links übrigens heißen ». . . nicht weniger als
fünf dieser größeren Fundkomplexe bis an die Zeit des
Commodus heranführen«. Außerdem beginnen mit den gro-
ßen Schatzfunden von der Saalburg zusammen nur vier
Funde mit oder nach diesem Kaiser. Auf S. 12 gehört die
Anm. 33 zum Fund 3 von der Saalburg.
192 Jahresber. d. Saalburgmus. 1908, 13; ORL. B II 1 Nr. 8
S. 26 und 37 f.
193 Siehe oben S. 32 u. 41.
194 Germania 35, 1957, 74.
195 P. R. Franke, Saalburg-Jahrb. 15, 1956, 9.
196 P. R. Franke, Saalburg-Jahrb. 17, 1958, 95.
197 So im Limesführer (1959) 226.

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